Jugendüberschuss – Chance oder terroristische Bedrohung?

„1,8 Milliarden junge Menschen. Potenzial für die Gestaltung der Zukunft.“ So lautet der Titel des Weltbevölkerungsberichts 2014 (1). Nie zuvor habe es so viele junge Menschen gegeben wie heute, heißt es weiter. Wohl nie wieder werde das Potenzial für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt so groß sein wie jetzt. Unsere gemeinsame Zukunft werde davon abhängen, wie wir die Bedürfnisse und Erwartungen dieser jungen Menschen heute erfüllen.

Und weiter: Mit den richtigen Maßnahmen und den richtigen Investitionen könnten viele Länder von einer „demographischen Dividende profitieren, die sich aus sinkender Mortalität und Fertilität ergibt“. Diese Dividende könne jedoch nur mit entsprechenden Investitionen realisiert werden – um die institutionelle Leistungsfähigkeit auszubauen, das Humankapital zu stärken, Wirtschaftsmodelle einzuführen, die bessere Beschäftigungsmöglichkeiten böten, sowie eine inklusive Regierungsführung und die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten.

Aber dann: „Mit internationaler Unterstützung können wir das Potential der nächsten Generation von Erfindern und Erneuerern, Unternehmern, Akteuren des Wandels und Führungspersönlichkeiten nutzen.“

Diesem hoffnungsgetragenen Posaunenstoß folgen nüchterne Fakten, die es zu bewältigen gilt: „In manchen Ländern sind mehr als ein Drittel der Einwohner junge Menschen. Die heutige Generation der 10- bis 24-Jährigen zählt knapp 1,8 Milliarden – bei einer Weltbevölkerung von 7,3 Milliarden Menschen. (…) In einigen Ländern wächst die jugendliche Bevölkerung schneller als die Wirtschaft. (…) In den 48 ärmsten Ländern der Welt stellen Kinder (unter 18 Jahren) oder Heranwachsende (von 10 bis 19 Jahren) die größte Bevölkerungsgruppe. In Afghanistan, Ost-Timor und 15 Ländern in Afrika südlich der Sahara ist sogar die Hälfte der Bevölkerung jünger als 18 Jahre. (…) 89 Prozent aller Zehn- bis 24-Jährigen leben in Entwicklungsländern. (…) Bei den jüngsten in dieser Altersgruppe ist der Prozentsatz sogar noch höher. In den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt (eine Kategorie der Vereinten Nationen, die 33 Länder in Afrika südlich der Sahara, acht in Asien, sechs in Ozeanien und außerdem Haiti und die Karibik umfasst, Anm. Red.) macht diese Altersgruppe 32 Prozent der Bevölkerung aus. In den Industrieländern beträgt ihr Anteil 17 Prozent. (…) Am stärksten wächst die absolute Zahl junger Menschen in den am wenigsten entwickelten Ländern, und hier ist in absehbarer Zukunft keine Wende in Sicht.“

Aber leider, so der Bericht, habe sich der alte Ausspruch von der „Macht der Masse“ nicht immer bewahrheitet. „Der wirtschaftliche Einfluss ist in dieser Altersgruppe tendenziell am geringsten. Jobs gibt es, wenn überhaupt, nur auf Einsteigerniveau oder im informellen Sektor und wählen kann nur, wer mindestens 18 Jahre alt ist.“

Weniger freundlich formuliert heißt das: Die Heranwachsenden treffen auf eine Realität, in der die Mehrheit von ihnen keinen oder einen schlechten Arbeitsplatz findet und keinerlei oder eingeschränkte politische Rechte hat. Jahr um Jahr erhöht sich jedoch die Zahl derer, die einen Platz in dieser Welt suchen, um 78 Millionen Menschen.(2) In nackten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dargestellt heißt das, die Welt geht einem Anstieg der globalen Arbeitslosenzahlen von 201 auf 203 Millionen entgegen, davon 74 Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren.(3) Es ist klar, dass hier ein Potenzial explosiver Unzufriedenheit heranwächst.

„Die Auswirkung des politischen Erwachens“

So ist das Problem des Jugendüberschusses denn auch nicht nur Gegenstand von Statistiken, sondern beschäftigt ebenso Strategen, allen voran solche der herrschenden Hegemonialmacht und unter ihnen, wie sollte es anders sein, den US-Frontmann Zbigniew Brzezinski. In seinem neuesten Entwurf mit dem Titel Strategic Vision. America and the Crisis of Global Power geht er der Frage nach, wie ein „receding west“ und ein „waning of the american dream“, also ein schwächelnder Westen und ein dahinschwindender Amerikanischer Traum, ihre Hegemonie halten könnten. Und da finden sich an prominenter Stelle – gleich im ersten Kapitel unter dem Zwischentitel „The Impact of Global Political Awakening“ – die Erörterungen zu der Frage, wie die USA, allgemeiner der Westen, mit dieser nicht zu absorbierenden Jugendkraft umzugehen gedenken. Er bringt, wie nicht anders zu erwarten, den Jugendüberschuss – im Rückgriff auf zurückliegende CIA-Analysen von ihm als „Youth Bulge“ (wörtlich: Jugendausstülpung – das Bild bezieht sich auf die demografische Alterspyramide) vorgestellt – in direkte Verbindung mit den antikolonialen politischen Protestpotenzialen „früher passiver und unterdrückter“ Gesellschaften, die heute ihren Platz in der Welt suchen.

Nach Exkursen über die französische und die russischen Revolutionen von 1905 und 1917 bis hin zur Entwicklung des Internet als neue Möglichkeit der Verbreitung von Erfahrungen räumt er dem „Youth Bulge“ einen bemerkenswerten Stellenwert ein. In einigen Ländern, erklärt er, seien die demografischen Jugendüberschüsse – unproportional große Bevölkerungsteile junger Erwachsener, die mit Schwierigkeiten in ihrer kulturellen und ökonomischen Assimilation konfrontiert seien – besonders explosiv, wenn sie sich mit der Revolution der Kommunikationstechnologien verbänden. Häufig sehr gebildet, aber arbeitslos, mache sie die daraus resultierende Frustration und Entfremdung zu idealen Rekruten für militante Gruppen.

„Nach einem Bericht der ‚Population Action International‘“(4), so Brzezinski wörtlich, „waren ‚Jouth Bulges‘ in achtzig Prozent der Konflikte zwischen 1970 und 1999 beteiligt. Es ist außerdem bemerkenswert, dass der Mittlere Osten und die weitere muslimische Welt einen überdurchschnittlichen Anteil vom Jugendlichen haben. Der Irak, Afghanistan, die Palästinensischen Gebiete, Saudi-Arabien und Pakistan haben alle massive Jugendüberschüsse, die von ihren Ökonomien nicht absorbiert werden können, und die anfällig sind für Unzufriedenheit und Militanz. Es ist diese Region vom östlichen Ägypten bis zum Westen Chinas, die das wachsende politische Erwachen, das größte Potential für gewaltsamen Aufruhr hat. Es ist in der Tat ein demografisches Pulverfass. Ähnlich gefährliche demographische Realitäten gibt es in afrikanischen Ländern wie Kongo und Nigeria sowie in einigen lateinamerikanischen Ländern.“

In einem großen Teil der heutigen Welt, resümiert Brzezinski, bildeten die Millionen von Studenten auf diese Weise ein Äquivalent zu „Marx` Konzept des ‚Proletariats‘: die ruhelosen, von Ressentiments erfüllten, nachbäuerlichen Arbeiter der frühen Jahre der Industrialisierung, empfänglich für ideologische Agitation und revolutionäre Mobilisierung.“ Und nur indem es die „überlegene Leistungsfähigkeit seines gesellschaftlichen Systems“ beweise, könne Amerika seine historische Dynamik erneuern. Das gelte insbesondere angesichts Chinas, das immer attraktiver für die Dritte Welt werde. Schaffe Amerika das nicht, komme der „Westen als Ganzes in Gefahr“, denn die EU stehe vor einer potenziellen Unbedeutendheit als Modell für andere Regionen: „Zu reich, um relevant für die Armen der Welt zu sein, zieht es Immigration an, kann aber zu einer Imitation nicht ermutigen.“

Zu passiv in Bezug auf internationale Sicherheit, zu selbstzufrieden verhalte sich die EU – wie der Welt komfortabelstes Altersheim. Auf diese Weise steige die Hälfte des geopolitischen Westens aus der aktiven Teilnahme an der Sicherung der globalen Stabilität gerade zu einer Zeit aus, in der die neue Hackordnung der Welt an Kraft verliere. Das könne dazu führen, dass der globale Aufruhr und die Entstehung von politischem Extremismus zum unbeabsichtigten Erbe des Westens würden. Und „paradoxerweise“, so Brzezinski, „macht das die Selbst-Wiederbelebung Amerikas entscheidender als jemals zuvor.“

Rückgriffe

Wer verstehen will, was diese Ausführungen Brzezinskis für die Praxis bedeuten, muss auf die Quellen der CIA zurückschauen, aus denen er seine Vorstellungen entwickelt hat. Da ist zunächst die Vorlage des „National Security Study Memorandum 200: World Population Growth and U.S. Security“(5), eingereicht im April 1974 auf dem Höhepunkt der Ölkrise von Richard Nixons Sicherheitsberater Henry Kissinger. Ein Jahr später wird das Memorandum von dem auf Nixon folgenden Präsidenten Gerald Ford abgesegnet.

Hierbei handelt es sich um ein durch und durch im Geiste des britischen Nationalökonomen aus dem 18. Jahrhundert Robert Malthus verfasstes Dokument, der als früher Verfechter der Theorie der Überbevölkerung gilt. Wie Malthus seinerzeit erklärte, angesichts nicht ausreichender Ressourcen habe ein Mensch, der in eine „schon occupierte Welt“ geboren werde und dessen Familie nicht die Mittel habe, ihn zu ernähren, oder dessen Arbeit von der Gesellschaft nicht benötigt werde, „nicht das mindeste Recht, irgendeinen Teil von Nahrung zu verlangen, und er ist wirklich zu viel auf dieser Erde“(6), so argumentiert auch das Memorandum. Unter dem Titel „Auswirkungen des weltweiten Bevölkerungswachstums auf die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihre Interessen in Übersee“ heißt es darin, das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, die an die Schwelle zur Industrialisierung heranrückten und in denen wichtige Rohstoffquellen lägen, stelle eine „potentielle Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA dar“. Zur Abhilfe werden dreizehn Länder aufgelistet, die sich als Ziele für amerikanische Initiativen zur Bevölkerungskontrolle anböten.

Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle

Zwei Zitate mögen genügen, um den Geist dieses Dokumentes zu verdeutlichen: „Um wie viel wirksamer sind Ausgaben für Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle als Investitionen, die die Produktion anheben, zum Beispiel Investitionen in Bewässerungsanlagen, Kraftwerke und Fabriken?“, wird gefragt. Des Weiteren heißt es: „Bei der Zuteilung von Nahrungsmittelhilfe sollte berücksichtigt werden, welche Schritte ein Land im Bereich der Bevölkerungskontrolle unternimmt.“(7) Und schließlich unmissverständlich: „Was sind die Einsätze? Wir wissen nicht, ob die technologische Entwicklung es möglich machen wird, zwischen 8 und 12 Milliarden Menschen im 21. Jahrhundert zu ernähren. Wir können nicht vollkommen sicher sein, dass der Klimawandel im kommenden Jahrzehnt nicht große Schwierigkeiten mit sich bringen wird, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren, besonders Bevölkerungen in den unterentwickelten Ländern, die unter sich verschärfenden marginalen und verletzbaren Bedingungen leben. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass die gegenwärtigen Entwicklungen für viele Regionen der Welt in Richtung Malthusianischer Bedingungen weisen.“(8)

Objekte der ins Auge gefassten bevölkerungspolitischen Regulierungen – gebremste Industrialisierung, Nahrungsmittelverknappung, Sterilisationen – waren Brasilien, Pakistan, Indien, Bangladesch, Ägypten, Nigeria, Mexiko, Indonesien, die Philippinen, Thailand, Türkei, Äthiopien und Kolumbien.(9)

1989 wurde das Memorandum von der Geheimhaltung befreit, nachdem Demografen aller Länder darin übereingekommen waren, dass sich die Kurve der jährlichen Zuwachsrate der Weltbevölkerung abgeflacht habe, die Dynamik des Wachstums trotz absolut steigender Bevölkerungszahlen rückläufig sei, das Gespenst einer allgemeinen „Bevölkerungsexplosion“, welche die „Tragfähigkeit“ des Globus sprengen werde, also gebannt sei, sich dafür aber eine gefährliche „Disproportion“ des realen Wachstums herausgebildet habe, wie sie auch aus dem aktuellen Weltbevölkerungsbericht wieder hervorgeht. Salopp formuliert: Die Bevölkerungen der „westlichen“ Industrieländer schrumpfen, einschließlich Russland, das von dieser Entwicklung am krassesten betroffen ist; die Länder des globalen Südens dagegen erreichen Geburtenraten, die um ein Vielfaches über denen der westlichen Länder liegen. Das gilt vor allem für Afrika, Indien und die Mehrheit der muslimischen Länder, nicht aber für China, dessen Zuwachsrate – bei steigender absoluter Zahl der dort lebenden Menschen – ebenfalls deutlich gesunken ist.(10) Mit der Feststellung dieser Disproportionalität war die Theorie der „Youth Bulges“ geboren.

Seit 1991, genau genommen seit der globalen Wende zum Ende der Sowjetunion, zeitgleich mit dem großen Sprung in die „Globalisierung“ der Wirtschaft, haben es sich die Think Tanks der US-Geheimdienste – und in ihrem Gefolge europäische Popularisierer ihrer Erkenntnisse wie Gunnar Heinsohn, Völkermordforscher aus Bremen, und nach ihm Thilo Sarrazin(11) – zur Aufgabe gemacht, für dieses Szenario Präventionsstrategien zu entwickeln. Nacheinander erschienen Untersuchungen im Dunstkreis der US-Dienste. Gesprochen wird von der Gefahr einer demografischen Globalkrise, die in den kommenden Jahren, spätestens 2020/2030, auf die „entwickelte“ Welt zukommen werde, dann nämlich, wenn all diese jungen Menschen in ihren jeweiligen Geburtsländern keine gesellschaftlichen Positionen mehr fänden, in denen sie ihre Ansprüche ans Leben verwirklichen könnten, während in den Industrieländern die jungen Menschen fehlten. Hieraus erwachse eine fundamentale Bedrohung der globalen Zivilisation, die es präventiv abzuwehren gelte. Dass mit der Zivilisation die „westlich“ dominierte gemeint ist, versteht sich schon fast von selbst, sei aber trotzdem erwähnt.

1995 legte Gary Fuller(12) eine grundlegende Untersuchung zum Zusammenhang von Krisenursachen und Bevölkerungsentwicklung vor, die er nach dem Debakel des Irak-Krieges im Auftrag der CIA gefertigt hatte, um die zukünftigen Bedrohungen für die USA zu ermitteln. Heinsohn spitzte die von Fuller aufgestellte Theorie des „Youth Bulge“ zur Theorie der „überflüssigen“ Söhne zu, die als zweite, dritte und gegebenenfalls noch darauf folgende Generation aus Frust, weil sie sich gesellschaftlich nicht verwirklichen konnten, zu Eroberern, Revolutionären, Verbrechern oder Terroristen würden. Heinsohn erklärt anhand dieses sozialen Mechanismus das Welt-, Kriegs- und Terror-Geschehen.(13)

Die These der „Youth Bulges“ setze sich eindeutig von klassischen Malthusschen Vorstellungen einer drohenden Überbevölkerung ab; auf diese Feststellung legen die Vertreter der These, CIA-Autoren ebenso wie ihre deutschen Multiplikatoren, großen Wert. Nicht aus Armut und Mangelernährung kämen die Terroristen, erklärt Heinsohn – darin im Übrigen mit Thilo Sarrazin einig –, sondern getrieben von dem Verlangen, zu den Privilegierten zu gehören. „Um Brot wird gebettelt. Getötet wird für Status und Macht“, so Heinsohn.(14) Nicht mehr um allgemeinen Nahrungsmangel geht es in der Theorie des „Youth Bulge“, sondern um die Frage, wer Zugang zu den Ressourcen bekommt und wer nicht. Das klingt modern. Das ist dem demografischen Verlauf angepasst. Im Kern läuft es dennoch auf das Gleiche hinaus, nämlich auf die Ausgrenzung von „Überflüssigen“, nur mit einer anderen Begründung.

Eine bemerkenswerte Korrektur der Theoriegeschichte der „Youth Bulges“, die Gunnar Heinsohn einfordert, sei hier jedoch kurz erwähnt. Sie betrifft die sattsam bekannte und immer wieder zitierte These des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers und Autors Samuel Huntington über den „Kampf der Kulturen“. Huntington habe, schreibt Heinsohn, seine These vom „Clash of Cultures“ nach Erscheinen der Bücher von Fullers grundlegender Untersuchung von 1995 noch in dem schon fertigen Manuskript seines dann 1996 erscheinenden Buches geändert, ohne dass das von der Öffentlichkeit wahrgenommen worden sei. „Das riesige Reservoir an oft beschäftigungslosen Männern zwischen 15 und 30“, zitiert Heinsohn Samuel Huntington, „ist eine natürliche Quelle der Instabilität und Gewalt innerhalb des Islam wie auch gegen Nichtmuslime. Welche anderen Gründe auch sonst noch mitspielen mögen, dieser Faktor allein erklärt zu einem großen Teil die muslimische Gewalt. Irgendwann einmal wird die islamische Resurgenz abklingen und in die Geschichte eingehen. Am wahrscheinlichsten wird dies geschehen, sobald der sie tragende demographische Impuls sich im zweiten und dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts abschwächt.“(15)

Nicht Lösung, sondern Teil des Problems

Von einer 80:20-Welt bzw. Einfünftelgesellschaft war angesichts dieser ökonomischen und demografischen Daten bereits auf jener legendären Tagung die Rede, die Michail Gorbatschow im September 1995 im Fairmont-Hotel in San Francisco zusammenrief, um in einem „globalen Braintrust“ ausgesuchter „VIPs“ die Zukunft der Welt zu beraten.(16) Als Hauptthema kristallisierte sich die Frage heraus, was mit dem Heer der „Überflüssigen“ geschehen solle, die aus dieser Verdoppelung von Freigesetzten und globalem Bevölkerungszuwachs resultierten. Bekannt wurde der Vorschlag Brzezinskis(17), der schon damals beteiligt war, ein globales „tittytainment“ einführen zu wollen. Der von ihm gewählte Neologismus verbindet das englische Wort für die weibliche Brust, hier im nährenden Sinne, mit dem des „Entertainments“ zu einer zeitgemäßen Variante des im alten Rom entwickelten Prinzips von „Brot und Spielen“. Ziel ist es, achtzig Prozent der Menschheit auf diese Weise zu „stillen“.

Für den Fall jedoch, dass die gewünschte Stilllegung nicht gelingen sollte, gehen aus den US-Studien von 1990, die dem 80:20-Szenario von 1995 und auch den daraus abgeleiteten Ausführungen Heinsohns zugrunde liegen, denn auch effektivere Varianten zum Umgang mit der dort beschriebenen Bedrohung hervor. Diese können hier zwar nur angedeutet werden, bedürfen aber unbedingt einer weiteren Betrachtung: Sie beginnen mit dem aktiven Export der westlichen „Eigentumsordnung“, verbunden mit einer gefilterten Immigration aus den Ländern des Bevölkerungsüberschusses in die Industriestaaten. Die Besten aus dem Heer der „Überflüssigen“ sollen hereingelassen, die Unerwünschten dagegen an den Grenzen abgefangen werden. Ergänzend dazu wird über die nützliche Funktion von Bürgerkriegen in Ländern mit „Youth Bulges“ nachgedacht, auch über Kriege zwischen solchen Ländern, in denen die Überschüsse „abgebaut“ werden könnten. Für alle Fälle müsse „man“ sich schließlich auch auf präventive militärische Eingriffe vorbereiten, mit denen „man“ jenen unter den „Youth Bulge“-Ländern zuvorkommen müsse, welche die technischen Fähigkeiten zu möglichen Aggressionen gegenüber den industriellen Zentren erkennen ließen.(18)

Die Wirklichkeitsnähe dieser strategischen Überlegungen lässt sich an der US-Politik der letzten Jahre, einschließlich des gegenwärtigen globalen Ausbaues der NATO zum allgemeinen Krisenmanager, bestens nachzeichnen.Die Art und Weise, wie die US-Politik gegenwärtig die Ukraine dadurch modernisiert, was Brzezinski die „überlegene Leistungsfähigkeit“ des amerikanischen gesellschaftlichen Systems nennt, fügt sich nahtlos in diese Reihe ein.

All diese neuen Strategien bieten – nicht anders als diejenigen, die in den 1970er Jahren auf Malthus Theorien basierten – keine Lösung, sondern sind selbst Teil des Problems, schlimmstenfalls sorgen sie sogar für die Zuspitzung der Lage in Richtung einer allgemeinen Katastrophe.

Siehe auch: Kai Ehlers, Die Kraft der „Überflüssigen“, Pahl-Rugenstein (über den Autor zu beziehen) Der Artikel erschien zuerst im Hintergrund-Magazin, Heft 2, 2015.  ________________________________________

Anmerkungen und Quellen:
(1)Weltbevölkerungsbericht der UNFPA, Stiftung Weltbevölkerung, Kurzfassung 2014
(2) . Population Division of the Department of Economic and Social Affairs of the United Nations Secretariat (Hrsg.): World Population Prospects. The 2010 Revision. World Population change per year (thousands) Medium variant 1950–2050. 2012.
(3) http://www.faz.net/agenturmeldungen/unternehmensnachrichten/roundup-ilo-arbeitslosigkeit-nimmt-global-weiter-zu-mehr-wachstum-noetig-13380073.html
(4) http://populationaction.org/wp-content/uploads/2012/01/mos.pdf
(5) http://en.wikipedia.org/wiki/National_Security_Study_Memorandum_200
(6) Kai Ehlers, Die Kraft der ‚Überflüssigen‘. Pahl-Rugenstein, S. 19
(7)http://www.jahrbuch2001.studien-von-zeitfragen.net/Weltmacht/NSSM_200/nssm_200.html
(8)http://www.zerohedge.com/news/presenting-nssm-200-implications-worldwide-population-growth-us-security-and-overseas-interests
(9) http://www.jahrbuch2001.studien-von-zeitfragen.net/Weltmacht/NSSM_200/nssm_200.html
(10) Siehe dazu folgende Autoren:
– Herwig Brig, Die demographische Zeitenwende. Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa. Becksche Reihe, 2005
– Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Die demographische Zukunft von Europa, dtv, München , 2008
– Thomas Etzemüller, Ein immerwährender Untergang. Der apokalyptische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert, transdript, Bilefeld, 2007
(11)Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, DVA, München, 2010
(12)Gary Fuller, The Demographic Backdrop to Ethnic Conflict: A Geographic Overview, in: Central Intelligence Agency, Hg., The Challenge of Ethnic Conflict to National and International Order in the 1990’s, Washington: CIA (RTT 95-10039, Oktober), S. 151–154 – und WIKI: Youth bulges
(13) Gunnar Heinsohn, Angryyoungmen und die kriege der Zukunft: http://www.swr.de/-/id=9082554/property=download/nid=660374/15suc5q/swr2-wissen-20120209.pdf
– Außerdem: http://de.wikipedia.org/wiki/Youth_Bulge-