62. Treffen des Forums integrierte Gesellschaft – Trump, Merkel, Putin

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 62. „Forum integrierte Gesellschaft“ am 18.09.2018

und Einladung zum nächsten Treffen am 28.10.2018

 

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen  Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

 

Liebe Freunde, liebe Freundinnen des Forums,

nachdem es beim zurückliegenden Treffen Ende August (Forum 61) eher beim Austausch sommerlicher Erlebnisse im sehr kleinen Kreis blieb, zielte das aktuelle Treffen unter dem knappen Thema „Trump, Merkel, Putin“ auf eine Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen  Großwetterlage.

Aber nicht über Trumps, Merkels oder Putins Aktivitäten fanden wir den Zugang zum Thema, sondern über die Frage, wie es in der gegenwärtigen Situation um die Frage der Solidarität in der Welt bestellt ist. Stimmt es, wenn allgemein von sozialer Spaltung, von einer allgemeinen Entsolidarisierung der Gesellschaft gesprochen wird,  global, national, wie auch lokal? Wie ist dem Gefühl zu begegnen anonymen Mächten in wachsendem Maße ohnmächtig ausgesetzt zu sein? Welches sind diese Mächte? „Das Kapital“? Einzelne „Strippenzieher“? Nicht aufhaltbare  „Schicksalsmächte?“ Lassen sich solche Gefühle mit dem Schlagwort der „Verschwörungstheorie“ erledigen? Kann man sie benennen? Kann man ihnen begegnen?

Dies führte zu der Frage, wie wir in der Welt einer sich zunehmend anonymisierenden Kommunikation, in der Menschen sich immer weniger da aufhalten, wo sie sich physisch befinden, einander überhaupt noch begegnen können.  Wie kommen wir dahin wieder selbst zu gestalten?

Widerstand gegen diese Entwicklung, darin bestand sehr schnell Einigkeit in der Runde, ist nur möglich im konkreten Miteinander, in der konkreten Kooperation, in der solidarischen Aktion. Aber wie, wenn traditionelle Bindungen sich zunehmend individualisieren, wenn das Motto „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ angesichts der rasanten Automation die Realität von heute nicht mehr trifft?

Und die weitere Frage: entwickeln sich solche Tendenzen der Entsolidarisierung nur hier – nur in Deutschland? Nur in Europa? Nur im Westen? Oder weltweit? Gibt es Gegenbewegungen? Hier oder andernorts, die neu wahrgenommen werden müssen?

Große Fragen, die wir in unserer kleinen Runde natürlich nur exemplarisch anschauen konnten, allerdings an Beispielen, die stellvertretend für den historischen Stand der heutigen Entwicklung solidarischer Strukturen stehen können – und zu denen Mitglieder des Forums eigene Erfahrungen sammeln konnten.

So die Mongolei: An ihr ist die Welle der Entsolidarisierung deutlich zu erleben, die mit dem Einsetzen der Privatisierung, besser zu sagen, der Kapitalisierung nach dem Ende der Sowjetunion in das Land hineinwirkte. Die kooperativen  Strukturen wurden aufgelöst, die bis dahin gemeinwirtschaftliche Bodennutzung in private Eigentumsstrukturen überführt – die Nomaden verwandeln sich tendenziell in städtisches Proletariat. Enorme Spannungen wachsen heran, einschließlich gewaltiger ökologischer Zerstörungen durch ausländische Kapitalgruppen, die sich langjährige Pachtverträge zur Ausbeutung von Bodenschätzen gesichert haben. 

Widerstand? Ja, den gibt es, wo sich auf Grundlage der neuen Bodenrechte neue kooperative Zusammenhänge finden – aber klar gesagt: dies sind Minderheiten. Der sozio-kulturelle Hauptstrom geht zurzeit in Richtung einer Vereinzelung der Menschen als Atome eines westorientierten Proletariats und einer kleinen, sich bereichernden Oberschicht. 

Und Russland: Mit dem Zerfall der Sowjetunion hat Russland den gleichen Ausgangspunkt wie die Mongolei – in umfassenderem Maßstab. Mit dem Ende der Sowjetunion endete die sozialistische Utopie nicht nur für Russland, sondern auch für den eurasischen Raum mit Auswirkungen über den gesamten Globus. Eine gewaltige Welle der Entsolidarisierung ging und geht noch heute davon aus.

Aber in Russland gibt es auch stärkere Kräfte, die dieser Entwicklung entgegenwirken. Das ist zum einen – und hier kommt zum ersten Mal Putin ins Spiel – die Politik, mit der Putin ab 2000 den Ausverkauf Russlands an das internationale Kapital stoppte – zumindest die Verwandlung Russlands in eine Rohstoff-Kolonie des Westens  verhinderte. Das hat die Kapitalisierung Russlands nicht verhindert, aber verlangsamt, hat spezielle „russländische“ Mischformen entstehen lassen. In diesem Zusammenhang ist zum Zweiten zu beobachten, dass unter dem Druck der unter Putin betriebenen, widersprüchlichen Kapitalisierung Elemente einer kooperativen Selbstbestimmung im Lande möglich sind – und von einzelnen Menschen, von Gruppen, von Initiativen genutzt werden. Hier müsste sehr viel genauer hingeschaut werden, als das zurzeit geschieht.

Um Missverständnisse zu vermeiden sei klar gesagt: auch dies sind Minderheitsbewegungen in der globalen Kapitalisierung. Das gilt für Russland insgesamt, das sich nach wie vor in Verteidigungsposition gegenüber dem US-geführten internationalen Kapital befindet, wie für die Aktivitäten einzelner Gruppen in Russland selbst, auch wenn der Druck derer, die sich der molochartigen Verstädterung entziehen wollen, wahrnehmbar wächst.

Von Russland und Putin, der aus der Verteidigungsposition Russlands heraus heute als globaler Krisenmanager fungiert, führte der Faden notwendigerweise zu Trump.

Trump kann, kurz gesagt, als Beschleuniger des Prozesses der Entsolidarisierung betrachtet werden, der mit dem Zerfall der Sowjetunion einsetzte.

Damit sind die Pole der gegenwärtigen globalen Konstellation benannt: Trump als Zerstörer der Regeln internationaler Vertragsstrukturen, Putin als deren Verteidiger. Eine Alternative ist damit aber noch nicht benannt.

Und Merkel? Ihr Name führte zu der Frage, welche Rolle Deutschland in diesen internationalen Konflikten hat, haben könnte und haben sollte – ganz sicher nicht die, sich als neue Ordnungsmacht den Drohungen der USA, Frankreichs und Englands anzuschließen, Syrien zu bombardieren, falls syrische Truppen Giftgas in Idlib einsetzen sollten.

Einstimmig fassten die Anwesenden daher einen Beschluss, solchen Bestrebungen aktiv entgegenzuwirken, wenn möglich auch mit anderen Gruppierungen zusammen verfassungsrechtliche Schritte zu initiieren. Das gilt auch, nachdem der Angriff auf Idlib von der syrischen Armee, darin beraten von russischer Seite, vorerst zugunsten der Einrichtung einer „Pufferzone“, die eine Deeskalation ermöglichen soll, ausgesetzt wurde.

beim nächsten Treffen des Forums die Frage zu behandeln,  

ob es für Deutsche in der heutigen Weltentwicklung eine besondere Aufgabe gibt, geben kann, überhaupt geben könnte oder dürfte, die nicht in alte oder neue nationalistische Muster abgleitet. 

Das nächste Treffen soll am Sonntag, den  28. Oktober 2018 ab 15.00 Uhr stattfinden.

Freunde und Freundinnen, Interessierte Gäste, streitbare Geister sind willkommen.

Anfragen und Anmeldungen über: www@kai-ehlers.de

 

Seid herzlich gegrüßt,

Kai Ehlers, Christoph Straessner

 

Übrigens:

Man kann alle 62 Berichte auf meiner Website unter dem Stichwort Forumbeiträge nachlesen