Sind wir alle Terroristen? Alternativen entwickeln

„Wer nicht für Amerika ist, ist für den Terror“ – das ist die zentrale Botschaft, die George W. Bushs in seiner Rede vor dem amerikanischen Kongress am 20. September der Welt mitteilte.
Im Übrigen bekräftigte er die Anschuldigungen gegen Usama Bin Laden. Beweise legte der Redner nicht vor. Wie auch? Ohne Gerichtsverhandlung wird es keine Beweise geben. Und von Gerichtsverhandlung ist gegenwärtig keine Rede. Stattdessen bekräftigte George W. Bush, dass Amerika sich auf einen langen Krieg einzustellen habe.
Er werde sich von bisherigen Einsätzen der USA unterscheiden, deren Ziele, klar gewesen seien, die kurz gewesen seien, bei denen keine Bodentruppen eingesetzt und der Tod von amerikanischen Soldaten nicht riskiert worden sei. George W. Bush nennt den Irak, er nennt den Einsatz auf dem Kosovo dafür als Beispiel – Vietnam nennt er nicht.
Von den Taliban wird die Auslieferung Usama bin Ladens gefordert. Das ist – gemessen an den Äußerungen der US-Regierung in den letzten Tagen und der Weigerung der Taliban, der Aufforderung nachzukommen – praktisch eine Kriegserklärung an die Taliban – ohne dass bisher ein klares Ultimatum ausgesprochen worden wäre.
Im Vorgehen der US-Regierung wiederholt sich hier ein Zug, der schon die Terror-Attacke ausgezeichnet hatte, nämlich die Anonymität eines Krieges, in dem die Bevölkerung nur noch manipuliertes Opfer geheimer oder geheimdienstlicher Aktionen und Manipulationen ist. Der durch die Medien inszenierte Krieg, der sich schon im Irak zeigte, der sich dann im Kosovo wie auch jetzt in Tschetschenien zur vollen Stärke entfaltete, erreicht jetzt noch eine neue Stufe, nämlich die aktive, vorwegnehmende Einstimmung der Welt-Bevölkerung auf einen unerklärten Krieg, das heißt die Organisation einer ideologischen Blankovollmacht seitens der Bevölkerung für einen Geheimdienstkrieg, wie George W. Bush ankündigt, von mindestens zehn Jahren Dauer. Das ist kein Journalismus mehr – das sind die Anfänge des Orwellschen Wahrheitsministeriums im globalen Maßstabe
„Wer nicht für Amerika ist, ist für den Terror!“ Auf diesen Satz könnte man in derselben Grobschlächtigkeit antworten: Wer gegen den Terror ist, muss gegen Amerika sein: Amerika hat sich über Jahrzehnte und dies in eskalierender Weise den Zorn, den Hass und schließlich den todesverachtenden Vernichtungswillen der Menschen zugezogen, die unter seinem Anspruch auf Weltherrschaft in auswegloses Elend gebracht wurden und weiter werden. Die Stationen dieser Entwicklung heißen: Hiroshima, Nagasaki, Vietnam, Panama. Chile, Irak, Kosovo und andere mehr, weniger bekannte mehr. Dazu kommt der Druck, den die USA auf Russland, China und den Rest der sog. 3. Welt ausüben. Die Globalisierung des Kapitals unter amerikanischer Führung hat die Globalisierung des Terrors folgerichtig hervorgebracht und wird sie weiter hervorbringen, wenn Amerika und die mit ihm wirtschaftlich und politisch verbündeten Industriemächte ihre Politik nicht ändern . Wer gegen den Terror ist, der muss auch gegen die Verhältnisse sein, die diesen Terror hervorgebracht haben und hervorbringen. Das beinhaltet auch für Amerika zu sein, aber für ein Amerika, das sich in die multipolare Völkergemeinschaft eingliedert, die sich als Ergebnis einer über zwei Weltkriege herangewachsenen Entkolonialisierung abzeichnet.
Unterscheidungen in Freunde Amerikas und Sympathisanten des Terrors sind – allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz – nur dazu geeignet, eine Polarisierung zu schaffen, welche die Systemkonfrontation des 20. Jahrhunderts nunmehr durch eine Konfrontation der Kulturen ersetzt, die letztlich auf einen Krieg zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung hinausläuft.
Wenn es in diesem Konflikt nicht zu weiteren unabsehbaren Eskalationen auf beiden Seiten kommen soll, dann reicht es heute nicht, die Terroristen strafrechtlich oder militärisch zu bekämpfen, das ist nötig, denn für Terror, Krieg und Mord kann es keine klammheimliche Freude geben, Es reichen auch keine präventiven Eindämmungs- oder Konfliktstrategien, weder innenpolitisch, noch global, solange sie die Ursachen nicht beseitigen, die den Hass hervorbringen. Es müssen effektive soziale und politische Alternativen zur gegenwärtigen Form der Globalisierung, sprich Ausbreitung der Herrschaft einer globalen Minderheit unter der Führung einer Weltmacht, der USA, entwickelt werden. Diese Alternativen fließen in der Anerkennung der multipolaren Weltordnung zusammen, die sich herausgebildet hat. Sie basiert auf kultureller und sozialer Symbiose, das heißt einer Wirtschafts- und Lebensweise, die den Austausches im Interesse gegenseitigen Nutzens zwischen verschiedenen kulturell gewachsenen Formen des Wirtschaftens und Lebens, zwischen industriellen und ökologischen, zwischen kollektiven und individuellen zur Grundlage einer für alle gleichermaßen überlebenswichtigen ökologischen Stabilität macht.

Kai Ehlers

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