Bericht vom 59. „Forum integrierte Gesellschaft“ am 05.05.2018
Liebe Freunde, liebe Freundinnen des Forums,
Erfreuliches zunächst: das erste Treffen nach der langen Pause von einem Jahr war mit zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein belebender Wiedereinstieg. Dank an alle, die trotz der langen Pause den Weg in unsere gute, alte Forums-Jurte gefunden haben.
Nun gleich zur Sache und sehr knapp, ohne lange bei Vorreden zu verweilen:
Thema des Treffens war die Rolle Deutschlands in den gegenwärtigen globalen Konflikten, konkret die Frage, ob eine deutsche Neutralität denkbar und machbar ist, wenn Ost und West in der Weise aufeinanderprallen, wie es zurzeit der Fall ist.
Um auch das gleich zu sagen: Es scheint, als ob die Frage heute so nicht einfach gestellt werden kann. Jedenfalls provozierte sie, selbst in unserem kleinen Rahmen, gleich eine ganze Reihe weitergehender Fragen, die bedacht werden müssen, bevor man der Frage, ob eine deutsche Neutralität heute möglich wäre und wie sie aussehen könnte, näher kommen kann.
- Was ist mit Deutschland gemeint? Der historische deutsche Kulturraum? Das geteilte Deutschland nach 1945? Die heutige Bundesrepublik Deutschland? Muss man nicht Österreich und die Schweiz bei Fragen zur Neutralität mit einbeziehen?
- Kann die Frage der Neutralität überhaupt isoliert an Deutschland, an die heutige BRD gestellt werden? Ist die Frage nicht an Europa, an die EU zu stellen, in welche die Bundesrepublik Deutschland heute eingebunden ist?
- Hat ein von den USA abhängiges Europa in Gestalt der EU überhaupt eine Wahl?
Und schließlich, was wäre unter Neutralität zu verstehen, wenn sie aus mehr bestehen sollte, als ein Sich-Heraushalten aus Konflikten?
Das deutsche Grundgesetz enthält dazu zwei grundsätzliche Ausgangspositionen:
- So in der Präambel:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willem beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“.
- Und in Paragraph 26, (1): „(Verbot des Angriffskrieges)“ — (fett im GG)
„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“
Im „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ vom September 1999, mit dem die (Bonner) BRD und die DDR im Beisein der vier Siegermächte die deutsch-deutsche Einigung besiegelten, wird der Friedensauftrag des wiedervereinigten Deutschland mit Bezug auf die „Charta der Vereinten Nationen“ und die „Schlussakte von Helsinki“ noch einmal ausdrücklich hervorgehoben:
- Nach einer ausdrücklichen Bekräftigung der Bereitschaft der Unterzeichner „die Sicherheit zu stärken, insbesondere durch wirksame Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Abrüstung und Vertrauensbildung; ihrer Bereitschaft, sich gegenseitig nicht als Gegner zu betrachten, sondern auf ein Verhältnis des Vertrauens und der Zusammenarbeit hinzuarbeiten, sowie dementsprechend ihrer Bereitschaft, die Schaffung geeigneter institutioneller Vorkehrungen im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Betracht zu ziehen…“
- heißt es im Artikel 2 (Verbot des Angriffskrieges): — (fett im Vertrag): „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei den in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“
Man sollte meinen, dass diese, durch den „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ noch einmal bekräftigten Bestimmungen des Grundgesetzes eine solide Basis für ein neutrales Verhalten des heutigen Deutschland darstellen können, wenn man Neutralität als aktive Friedensvermittlung begreift. Die Lage des heutigen Deutschland, hervorgegangen aus der Bonner BRD und der DDR, aus einem westlichen und einem östlichen Deutschland also, zugleich Führungsmacht in einer Europäischen Union, die wie Deutschland selbst in zunehmendem Maße in einen Spagat zwischen atlantischen und eurasischen Interessen gerät, macht eine solche aktive Friedensvermittlung zur Notwendigkeit. In der Notwendigkeit liegt aber zugleich auch die Chance, die aus der Geschichte Deutschlands als Mittelmacht zu gewinnenden Lehren und die aus seiner geografischen Mittellage resultierenden Bedingungen in friedensfördernder, völkerverbindender und versöhnender Vermittlung zu realisieren.
Die Chance kann ergriffen werden, aber auch nur dann, wenn das heutige Deutschland – eingefügt in Europa – sich auf die demokratische Kultur besinnt, die nach 1945 angedacht war, mehr noch, wenn aus der Bevölkerung aktiv an der Weiterentwicklung dieser Kultur gewirkt, statt dass der Weg des Wiederaufstiegs zur militärisch gestützten Weltmacht beschritten wird. Eine vermittelnde Politik kann nur auf dem Boden einer aus der Bevölkerung hervorgehenden Kultur der Toleranz und gegenseitigen Hilfe entwickelt werden.
Das nächste Treffen des FORUMS soll diesem Gedanken unter der Frage: ‚Individualismus oder ethischer Individualismus – was ist der Unterschied? ‘ nachgehen.
Also: 16. Juni, 16.00 am bekannten Ort.
Thema: ‚Individualismus oder ethischer Individualismus – was ist der Unterschied?
Bitte meldet Euch an. Und vergesst nicht eine Kleinigkeit zum Knabbern mitzubringen.
Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft,
Kai Ehlers