Zivilisation des Übergangs – eine russische Stimme

Die Coronakrise aus der Sicht einer Psychiaterin

Die Coronakrise wird die Welt verändern, auch Russland. Aber wie?  Darüber sprach Kai Ehlers mit der russischen Ärztin, Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin Irina Golgofskaja aus Nowosibirsk. Es geht um die Frage, welche Bedeutung die Krise für die Entwicklung der heutigen Zivilisation und die Veränderung des heute bestehenden Weltbildes haben könnte. Das Gespräch lief den gegenwärtig gegebenen Umständen entsprechend über ZOOM online. 

Kai Ehlers: Frau Golgofskaja, die WHO hat eine Pandemie ausgerufen. Was ist Ihre Sicht zu dieser Frage? Gibt es die Pandemie? Gibt es sie nicht. Was denken Sie dazu?  Was ist das Wesen der Krise?

Golgofskaja: Ich denke es gibt keine Pandemie im vollen Sinn dieses Wortes. Ich bin Ärztin, Psychoanalytikerin, keine Epidemiologin, aber ich denke, was wir jetzt haben, ist im objektiven Sinn des Wortes keine Pandemie. Es ist eine gewöhnliche Grippeepidemie. Das Virus ist ein gewöhnliches Virus, wie es bei Schweinen, bei  Kamelen und anderen Tieren auftritt, das auf uns übergegangen ist. Ich denke auch nicht, dass irgendjemand aus der „goldenen Milliarde“, ein Rockefeller, Bill Gates oder so das Virus geschaffen hat oder dass sie von Trump, Putin oder Xi Jinping geplant wurde. Man könnte eher sagen, dass sie von Gott kommt. Mir gefallen die Kabarettisten, die sagen, dass im Grunde die missbrauchte Natur sich umstülpt und sich gegen den Menschen wendet. Ich denke, dass wir heute in einer Zivilisation des Übergangs leben. Ich will sagen: Es ist eigentlich beliebig wovon eine Krise ausgelöst wird, von einem Virus in Wuhan oder einer Rakete, die auf die Erde stürzt mit entsprechenden Folgen. Es ist nicht wichtig, was da passiert, wichtig ist, dass der ganze Planet jetzt zu Hause sitzt. Es ist eine systemische Situation. Die Menschen haben sich zuvor maßlos viel um den Globus bewegt. Es war schon lange an der Zeit, dass man zu Hause bleibt. Ich sage schon seit vier oder fünf Jahren: Man muss zuhause bleiben und sich um die eigenen Dinge kümmern, nicht um irgendetwas, sondern um nützliche Dinge.

Nun, gut, ich verstehe. Aber obwohl die Situation so ist, wie Sie es eben beschrieben haben, herrscht auch in Russland inzwischen ein Regime der strikten Kontrolle, mit dem versucht wird, das Virus aufzuhalten. Macht das Sinn?

Ich denke, dass in Zeiten einer Zivilisationskrise ein Zusammenbruch des gesamten  Disziplinarraumes stattfindet, das sind Geburtshäuser, Kindergärten, Familie, Schulen, Wirtschaft, Armee, Religion, Medizin, Friedhöfe, einfach alles. Das alles bricht zusammen. Verwaltung, Polizei, auch die staatlichen Strukturen. Das letzte, was bleibt,  ist die Armee. Aber dieses ganze polizeiliche Regime, das macht nicht ein Putin, oder irgendein überängstlicher Dummkopf. Diese Situation regieren höhere Kräfte, höhere, nicht menschliche. Das System entwickelt seine eigene Dynamik. So sehe ich das. Aber was all diese Verbote betrifft, das ist lächerlich. Die Menschen gehen damit ganz unterschiedlich um. Die einen gehen mit Masken, andere ohne.  

Vor dieser Krise sah es so aus, als habe Russland Stabilität gewonnen. Die Verhältnisse waren besser als früher, die Menschen konnten leben. Russland hatte seine Rolle in der Welt. Gerade sollten neue Sozialprogramme anlaufen. Woher dann auf einmal diese Krise?

 Ich denke, Russland ist nur ein kleiner Teil in diesem großen System. Es konnte natürlich teilnehmen an der globalen Entwicklung. Aber es geht jetzt natürlich nicht nur um Russland. Die Transformation betrifft ja das ganze Netz der Zivilisation. Russland könnte das alles zwar  besser überstehen. Es ist ja nicht in dem Maße zivilisiert, sondern noch wilder. Das ist ja bekannt. Dadurch kann es überleben. Aber schauen wir genau hin: Als das alles begann, irgendwann im Januar, als erst noch 100, 200 Fälle mit diesem Virus gemeldet waren, da wurde schon klar, dass das den ganzen Planeten betrifft. Das roch nach den 90ern des letzten Jahrhunderts. Dann im Februar roch es nach 1917. Ich habe ja 1917 nicht gelebt, aber ich fühlte es, es liegt mir in den Genen. Da kamen mir auch die Erinnerungen an die Spanische Grippe. Und dann im März, April, als die Zahlen ins Bedrohliche stiegen. Da ging es aus meiner Sicht schon nicht mehr darum, dass es schlechter wurde, da ging es schon ins Merkwürdige, ins Groteske. Ja, ich begann sogar eine gewisse Freude zu spüren. Wunderbar, dachte ich, dass ich Zeuge dieses Wandels werden kann, in den wir da alle kommen. Ich hatte ein starkes Gefühl dazu,  wie es war, als wir aus dem Mittelalter in die Moderne übergingen. Die alten Strukturen bröckelten, die Menschen begannen klarer zu denken, und die, die klarer zu denken begannen, schritten in die Aufklärung, in die Wiedergeburt. Die Menschen traten aus dem Herdenbewusstsein (‚stada‘) in den Prozess der Individualisierung ein und haben diese Gene auf zweihundert Jahre vorausgeschickt. Zu uns. Diejenigen, die diesen Weg nicht gingen, blieben zurück. Jetzt ist die Situation so, dass diejenigen, die sich der elektronischen Medien bedienen, das ist nicht nur Skype und Zoom und dergleichen, sondern die ganze künstliche Intelligenz, die sind, die am Leben bleiben. Das geschieht natürlich nicht schnell. Aber es geschieht. Es wird wieder eine gewaltige Spaltung der Bevölkerung geben mit all den Folgen. Also, die Epoche der Moderne wird abgelöst durch die Postmoderne.  Die Moderne verwandelt sich in die Informationsgesellschaft, in das erste Stadium der Informationsgesellschaft

In der Tat schwappt gegenwärtig ein gewaltiger digitaler Tsunami über unsere Welt. Gehen wir also jetzt das digitale Zeitalter?

Genau! Das verändert alle unsere zurzeit gültigen Maßstäbe und Einteilungen. Da gibt es dann nicht mehr Schwarze und Weiße, Mädchen und Jungen, alle diese körperlichen Dinge werden sich ändern. Alle sitzen zuhause, unwichtig, ob du Knabe bist, Päderast, Außenseiter, das Wichtigste ist, dass du Internet hast, welches die Verbindung zur Bank herstellt. Bei Bill Gates habe ich gelesen, dass Du tendenziell einen Chip unter der Haut haben wirst, der festhält, ob Du dich gut verhalten hast, dann kriegst du Kredit bei der Bank. Das wird alles sehr interessant.

Interessant? Das klingt für mich merkwürdig. Ist Ihnen dieser Prozess, der sich da zeigt, angenehm oder nicht?

Angenehm oder nicht, das ist für mich nicht die Frage, der Prozess findet statt. Das hängt nicht von mir ab. Wenn ich daran nicht teilnehme und sage, ach, früher war alles besser, ist das dumm. Wenn die Strömung dort hin geht, warum dann diese Strömung bremsen? Man muss in dieser Strömung wirken.  Das finde ich interessant. Da frage ich nicht: angenehm oder nicht angenehm. Mir ist vollkommen gleichgültig, auf welche Weise ich die Verbindung zu meiner Bank habe, gegebenenfalls auch über einen Chip. Klar ist für mich allerdings eines:  eine Impfung lasse ich nicht zu. Da gehe ich in den Wald! Und ich lasse es auch nicht zu einen Chip ins Gehirn gesetzt zu bekommen. Aber tendenziell wird sich die Gesellschaft zergliedern. Einige werden in supertechnischen Megastädte leben, mit Drohnen und all dem, wie im Film Matrix, andere werden in der Provinz leben und Mohrrüben pflanzen.

Und wo werden Sie leben?

Natürlich nicht in der Megastadt, ich werde zur Partisanin.

Gut, ich verstehe. Das betrifft Sie. Aber wie denkt die Bevölkerung über die entstandene Situation? Sie hören ja Vieles von ihren Patienten, wenn Sie herumkommen.

 Das Volk, wie ich es erlebe, denkt sehr wenig. Die meisten, ich würde sagen, zu achtzig Prozent, sitzen in ihren Wohnungen und denken nichts.

Sie akzeptieren dieses Corona-Regime?

Ja, das ist ziemlich schrecklich.  Sie leben einfach so. Wenn sich etwas ändert, wollen sie das nicht. Sie wollen einfach sitzen bleiben. Aber das hängt gar nicht  davon ab, wie stark die Kontrolle ist. Die Kontrolle findet hier statt. (tippt sich an die Stirn) Wenn ich unterwegs bin bei meiner Patientenarbeit, da frage ich: Und kennst Du jemanden in Deiner Umgebung, der gestorben ist am Virus? Antwort: Nein, kenne ich nicht. Niemand  hat jemanden, der gestorben ist. Und Polizei auf den Straßen sehe ich keine. Man hat mich nicht ein einziges Mal angehalten, obwohl ich ja viel herumfahre bei meiner Arbeit. Das ist alles so, weil die Köpfe vom TV massiv bearbeitet werden. Die Leute werden vollgequatscht von Impfen und all dem.

Sie sind gegen Impfungen. Können Sie sagen wieso?

 Ich möchte nicht, dass unsere ökologisch ausgerichtete traditionelle Naturmedizin durch diese westlichen Methoden ausgelöscht wird. Impfung ist der Weg des Todes. Ich bin noch nicht bereit zu sterben. Ich bin Ärztin. Ich habe Gott sei Dank noch meinen gesunden Menschenverstand. Und meine medizinische Ausbildung hilft mir natürlich sehr. Es ist einfach lächerlich von der Impfung eine Abhilfe gegen die Grippe zu erwarten. Auch viele Philosophen, Politiker, nicht einmal nur Ärzte haben ja darauf hingewiesen, dass es einfach lächerlich ist auf eine Impfung gegen die Grippe zu hinzuarbeiten.

Bei uns wurde Maskenpflicht verordnet. Das diene nicht nur dem eigenen Schutz, sondern hauptsächlich dem Schutz der anderen, der Gesellschaft. Maske tragen gilt als ein Akt der Solidarität, der Humanität. Wer sie nicht trägt, wird tendenziell zum Volksfeind. Wie stehen Sie dazu?

Ja, angeblich schützt das Maskentragen die Gesellschaft, im Kern ist es aber ein Genozid. Noch direkter gesagt: alle wollen, dass die Menschen in den Krieg ziehen und sich gegenseitig erschießen. Man manipuliert den Menschen so, dass er bereit ist zu töten. Aber wofür? Um sich selbst zu töten. Und so ist es mit den Masken, das Tragen von Masken hat einen selbstzerstörerischen Effekt. Das sage ich Ihnen als Ärztin. Ich habe das einmal ausprobiert und verstanden. Das kommt für mich nicht in Frage. Es gibt genügend Beispiele, dass Masken tragende Menschen mit Husten ins Krankenhaus eingeliefert wurden und dort verstarben.

 Bei uns gibt natürlich auch Kritik. Viele  Ärzte sprechen so wie Sie. Aber von Staats wegen wurde anders entschieden und die Menschen glauben das.

Ja, sie glauben und dafür halten sie noch den Mund hin. Als Psychologe kann ich nur sagen, der Mensch, der eine Maske trägt, verändert sich. Er gewöhnt sich daran, so unterwegs zu sein. Das ist wie eingeschlossen, wie Gefängnis gewissermaßen.

Klar, es ist eine soziale Krankheit, die sich darin ausdrückt. Eine Erkrankung des sozialen Organismus.

Ja, wie gesagt, es ist eine Krise der Zivilisation. Das zeigt sich ja nicht erst jetzt. Das hat sich ja schon lange angekündigt. Mir ist das schon seit der Weltmeisterschaft 2018 klar, als hier bei uns die Massen eintrafen. Und ich bin froh, dass die Krise jetzt endlich zum Ausbruch kommt. Warum? Jetzt wurden all diese Zentren geschlossen, wurde Fußball geschlossen. Es ist natürlich bedauerlich für die Menschen, die davon gelebt haben, aber es musste geschehen, es lag in der Luft. Wenn es das Virus nicht gebracht hätte, hätte es noch schlimmer kommen können. Irgendwie Krieg. Das Virus steht an Stelle eines Krieges, eines zivilen  Krieges. 

Ja, ein Krieg wäre schlimmer. Aber auch jetzt steht schon die Frage: Was tun, um diesen Prozess, den Sie geschildert haben, zu überstehen? Haben Sie irgendwelche Vorstellungen, wie man in Zukunft leben kann? Neue Formen des Zusammenlebens?

 Ich weiß es nicht. Ich glaube, man muss lernen in dieser neuen Welt zu überleben. Irgendetwas in dieser Welt tun. Irgendwie die Welt online zu erfassen. Jetzt werden die Kooperativen Online gebildet.  Anders wird es nicht sein. Gemeinschaften offline wird es nicht geben. Und wie ich schon sagte, ich denke, dass achtzig Prozent unserer Bevölkerung in der westlichen europäischen Zivilisation  zuhause bleiben werden. Auch die Bildung wird online sein, denke ich. Sie wird ziemlich einfach sein. Nur wenige, die besondere Aufgaben haben, müssen online lernen. Die anderen bleiben zuhause. Dann wird alles sofort gut sein. Reisen ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist sich um die eigenen Dinge zu kümmern. 

Naja, entscheidend sind aber doch direkte Beziehungen zwischen den Menschen.

Ja, das stimmt. Aber besser als gar keine Beziehungen zu haben, ist es doch immerhin sich online austauschen zu können.

Na gut, darin sind wir einer Meinung. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kai Ehlers

www.kai-ehlers.de