Aufruhr in der Ukraine

Bericht vom 33. Treffen am 08.12.2013

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— Das zurückliegende Treffen des „Forums integrierte Gesellschaft“ sollte sich mit der Frage beschäftigen, was Regionalisierung im Kaukasus bedeutet. Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine haben das Thema ganz und gar in Richtung der ukrainischen Ereignisse verschoben. Das Gespräch dazu war äußerst komplex, entwickelte sich aber in seinen Grundzügen um die Fragen, die in dem Text von Kai Ehlers „Ukraine – was heißt hier ‚nationaler Verrat’? angesprochen worden sind.

Dabei stellte sich weitgehende Übereinstimmung her in der Sicht, daß die Ukraine zwischen Europäischer Union und Eurasischer Union/Rußland zerrissen wird, wenn sie es nicht schafft und ihr auch von außen nicht zugestanden wird einen neutralen Begegnungsraum zu bilden. Für die innenpolitische Situation fiel dazu das Stichwort föderaler Konsens; für die außenpolitischen Beziehungen fielen Begriffe wie Grenzland, Neutralität, neue Blockfreiheit.

 Tatsache ist, daß die Ukraine zwischen der expansiven Freihandelspolitik der Europäischen Union und der neu heranwachsenden Zollunion der Eurasischen Union von beiden Seiten unter Druck gesetzt wird. Die tiefer liegenden Motive sind, wie schon so oft, nachlesbar bei Zbigniew Brzezinski, der in seinem neuen Buch „strategic vision“ die Perspektiven einer nach-amerikanischen Welt der Schwerpunktverschiebung von West nach Ost skizziert, in welcher der Westen sich gegen das aufkommende China und andere asiatische Staaten behaupten müsse. In dieser Strategie ist der Ukraine die alte Rolle zugedacht, Rußland zu schwächen, um damit dessen Unterordnung unter die USA und die EU zu bewirken.

Eine heftige, sehr interessante Kontroverse entwickelte sich entlang der Frage, ob die Ereignisse der letzten Wochen vor dem Hintergrund der zerrissen Geschichte der Ukraine als Grenz- und Durchgangsland als Schritte eines Prozesses der “nation building“ zu verstehen sein könnten. Die Bevölkerung der Ukraine sehnt sich nach Selbstbestimmung geordneten Verhältnissen. Die nationalistischen Töne der Opposition sind nicht zu überhören und auch die Regierung argumentiert im Namen der nationalen Selbstbestimmung. Dem steht jedoch entgegen, daß die „nationale Karte“ angesichts der Dominanz transnationaler Konzerne eine überholte Option ist, die bestenfalls zu kurzfristigen Mobilisierungen nationaler Illusionen taugt. Wichtiger ist es die Ukraine als föderalen Begegnungsraum von sehr verschiedenen Regionen zu verstehen, die im Konsens miteinander zum gegenseitigen Nutzen kooperieren, wobei der Nutzen nicht in erster Linie an den Renditen der Konzerne und Banken zu messen ist, sondern an der Hebung des Lebensniveaus der Bevölkerung. Es ist klar, daß in einem solchen Begegnungsraum nicht das „Nationale“, sondern das Soziale, die Organisation der Solidarität im Zentrum des Denkens und Handelns steht.

Es wäre hier noch sehr viel zu referieren und es wird in nächster Zeit viel dazu angeschaut, aufgearbeitet und transparent gemacht werden müssen, insbesondere, was die sich abzeichnende ungute Polarität zwischen einer expansiven Europäischen und einer heranwachsenden Eurasischen Union betrifft. Ebenso wichtig ist die Frage, wie ein föderaler Konsens von Regionen und wie ein Ausgleich zwischen den strategischen Großräumen konkret aussehen könnte, das heißt, auch hier der Frage nachzugehen „Wie wir wirklich leben wollen“. „Wir“ sind ja nicht nur einige Visionäre in Deutschland. Die Frage betrifft alle Menschen. Es ist die Frage nach einer anderen Ethik als der des Konsums und Profits.

 Anknüpfend an die Frage der Solidarität und einer anderen Ethik kamen wir überein, uns bei der nächsten Forums-Runde die apostolische Botschaft  „Evangelii Gaudium“ des Papstes Franciscus unter diesem Gesichtspunkt anzuschauen. Was bringt sie für die Frage „Wie wir wirklich leben wollen“. Zur Anregung verweisen wir auf: Frod und Alex, die in „Was geht ab“ die Botschaft in Youtube vorstellen: http://www.youtube.com/watch?v=9Nys899EyuM  

Das vollständige Schreiben des Papstes bietet der Vatikan an unter:  http://www.vatican.va/holy_father/francesco/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium_ge.html

 

 

Unser nächstes Treffen:

 

11.01.2014 am bekannten Ort zur üblichen Zeit: 16.00 Uhr,

 

Thema: Apostolisches Schreiben – Evangelii Gaudium des Papstes Franziskus

 

Bitte meldet Euch vorher an: Tel 040 /64 789 791 mail: info@kai-ehlers.de

 

Mit besten Grüßen für einen guten Jahreswechsel

 

Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft

 Kai Ehlers, Christoph Sträßner