Bericht vom 25. Treffen am 16.02.2013:
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
das Treffen des Forums integrierte Gesellschaft war sehr lebendig und detailreich – nichtsdestoweniger läßt sich das Ergebnis in kurzen Worten zusammenfassen: Das Gespräch drehte sich rund um die Frage, ob und wie sich eine Allmende gegen das Gewaltmonopol des Staates entwickeln kann. Auf Elinor Ostroms Arbeit bezogen – niedergelegt in dem schon mehrfach zitierten Buch: „Die Verfassung der Allmende“, Mohr-Siebeck 1999 – ging es dabei um den Punkt sieben der von ihr zusammengestellten „Bauprinzipien langlebiger AR-Institutionen“ (S. 117 des Buches). Da schreibt sie: „7. Minimale Anerkennung des Organisationsrechtes. Das Recht der Aneigner, ihre eigenen Institutionen zu entwickeln, wird von keiner externen Behörde in Frage gestellt“. Als „Aneigner“ bezeichnet sie die Mitglieder der Allmende, die aus der gemeinsamen Bewirtschaftung der begrenzten Ressource ihren Nutzen haben.
Im Verhältnis von Selbstorganisation und staatlicher (An)Ordnung entscheidet sich, ob eine Allmende sich tatsächlich nach ihren eigenen Regeln und zum Nutzen ihrer Mitglieder entwickeln kann. Sobald die im Prozess der Selbstorganisation entstandenen Regeln von staatswegen in Frage gestellt werden, wird die Allmende im Kern gelähmt – Eigeninitiative und Selbstverantwortung jedes einzelnen Mitgliedes der Allmende für das Gelingen und Funktionieren des Ganzen auf der Basis eines eigenen Interesses kann sich dann nicht entwickeln.
Diese Grundeinsicht in die Natur einer Allmende zwingt zu genauen Definitionen darüber, was möglicherweise auch gut und wünschenswert, aber k e i n e Allmende ist: etwa eine Gruppe von Menschen, die selbstlos eine Obdachlosenhilfe oder auch Behinderte betreuen oder für hungernde Kinder Sammlungen organisieren. Schwieriger wird es, wenn sich eine Gruppe von Menschen in einem Stadtteil zusammenfindet, die gemeinsam einen öffentlichen Stadtgarten oder ähnliches unterhalten – wie beispielsweise einen kleinen Hühnerhof im engen Hamburger Stadtteil Ottensen.
Da steigt die Frage nach dem Nutzen bereits aus den Bereichen des unmittelbar Erkennbaren (gemeinsame Fisch- oder Jagdgründe, gemeinsame Wasserversorgung u.ä.) in allgemeinere Bereiche auf, deren Nutzen nicht oder auch noch nicht für jedermann und jedefrau sofort präsent ist – die Spielmöglichkeit für Kinder, die Grünorganisation des Bezirkes etwa, die Schaffung eines lebendigen Wohnklimas oder sogar der ideelle Nutzen einer lebendigeren Durchmischung des Stadtteils.
Wie auch immer im Einzelnen – im Kern bleibt der Antrieb zur Bildung einer Allmende das Eigeninteresse jedes einzelnen Menschen, der versteht, daß er oder sie ihr eigenes Interesse besser in gegenseitiger Unterstützung und Hilfe mit anderen befriedigen kann, die ein vergleichbares Interesse
haben. Allmende, um es schroff zusagen, ist nicht identisch mit Selbstlosigkeit, Aufopferungsbereitschaft und dergleichen. Allmenden werden von Menschen zur gemeinsamen Wahrnehmung optimalen Nutzens begrenzter Ressourcen miteinander entwickelt.
Abzugrenzen ist hier allerdings wiederum – von der Lobby!
Der Lobbyismus, der heute zum Parlamentarismus gehört wie der Krebs zur älter werdenden Gesellschaft, ist selbstverständlich k e i n e Allmende, auch wenn er sich hier und dort so verkleidet. Die Lobby ist als pressure group das Zerrbild einer Allmende. In der Lobby wird das Prinzip der gegenseitigen Hilfe zum Kampfbund gegen alle nicht dazu Gehörenden pervertiert. Das muß hier vermutlich nicht weiter ausgeführt werden. Wir alle erleben diese Wucherungen des kapitalistisch durchwachsenen Parlamentarismus tagtäglich. Wichtig ist allerdings, daß die Existenz des Lobbyismus zur Denunziation von Allmendebildungen benutzt wird – so wie der immer wieder zitierte „Trittbrettfahrer“. Beide Phänomene, deren Vorkommen unbestreitbar ist, werden benutzt, um damit zu beweisen, daß Allmenden notwendigerweise am egoistischen, ggflls. am gruppenegoistischen Eigeninteresse des Menschen scheitern müßten und deshalb nicht lebensfähig und überholt seien.
Tatsache ist – glücklicherweise – daß es immer wieder lebensfähige Allmenden gab und daß auch heute wieder solche entstehen. Dies nachgewiesen zu haben, ist das große Verdienst von Elinor Ostrom und ihren Mitarbeiter/innen sowie den vielen Menschen, die heute an der Verteidigung bestehender und am Aufbau neuer Allmenden interessiert und dazu tätig sind.
Aber es bleibt selbstverständlich die Frage: Wo liegen die Grenzen zwischen berechtigter, notwendiger und erlaubter Selbstorganisation und den Interessen der Gesamtgesellschaft, die zu vertreten heute „der Staat“ für sich in Anspruch nimmt?
Mit dieser Frage soll sich das nächste Treffen befassen.
Zur Vorbereitung bitten wir alle sich auch mit dem Entwurf für eine „Charta für ein Europa der Regionen“ vertraut zu machen, das im Internet aufzurufen ist unter dem Stichwort: http://www.demokratiekonferenz.org/resources/Charta+3.0.pdf
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