Altdenker verstehen die Welt nicht mehr: Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich der Position Deutschlands und Frankreichs in der IRAK-Frage angeschlossen. Er nannte die Pariser Entscheidung, in der er sich gemeinsam mit Jean Chiraque für eine weitere diplomatische Behandlung der Krise und damit gegen den Kurs der USA aussprach, einen „ersten Schritt zu einer multipolaren Welt“. Bundeskanzler Schröder wiederholte die Formulierung gegenüber seinen Kritikern. Gleichzeitig wandte Wladimir Putin sich gegen das sofort entstehende Gerede von einer „Achse“ zwischen Moskau und Paris, bzw. Moskau und Berlin. Von einer Achse oder einem Block könne nicht die Rede sein, erklärte er und lobte die harte Haltung der USA, ohne die der IRAK, wie er sagte, nicht zur Kooperation hätte gezwungen werden können.
Ist das nur prinzipienloser Pragmatismus? So wie Deutschlands Haltung ein Verrat an den gemeinsamen westlichen Werten, ein Verspielen des politischen Kapitals, eine Ermutigung für Saddam Hussein, ja, gar eine Steigerung der Kriegsgefahr, statt deren Beseitigung?
Und Chinas Position? Blanker Opportunismus und „ohne mich“ Isolationismus?
Nichts dergleichen: In der Konstellation Deutschland/Frankreich/Belgien, Russland, China, die sich dem offenen Kriegskurs der USA entgegenstellen, tritt die real bereits existierende neue Weltordnung erstmals offen in Erscheinung – unbeholfen noch wie im Fall der Europäer, abwägend bei den Russen und zurückhaltend bei den Chinesen. Aber doch eindeutig! Sie ist kein „Block“, keine „Achse“, keine bilaterale Lagerbildung gegen die USA, sie zielt auf die Einbindung der USA in die plurale Machtkonstellation, die aus dem Zerfall der bipolaren Welt hervorgegangen ist. Wer sich in diese neue Ordnung fügt, hat die Sympathie der Völker, die im letzten Jahrhundert nicht zu den herrschenden gehörten, jetzt aber teilhaben wollen an der Gestaltung der Welt, auf seiner Seite. Auf dieser Linie ist die terroristische Bedrohung abzubauen. Sie ist ja letztlich nichts anderes als die irrationale Revolte gegen die Reste der alten europäischen Kolonialordnung, vor allem aber gegen deren Globalisierung durch die USA. Auch die USA können von einer pluralen Neuordnung langfristig nur gewinnen, denn als „einzige Weltmacht“ sind sie absolut überfordert. Es sieht allerdings so aus, als ob die Bush-Administration nicht in der Lage ist, das zu erkennen.
Kai Ehlers
www.kai-ehlers.de
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