Was zu erwarten war ist geschehen: Die UN-Kontrolleure Blix und El Baradei haben dem UNO-Sicherheitsrat jetzt einen zweiten Bericht vorgelegt, der allen Seiten gerecht wird. Die Reaktion war entsprechend: Befürworter wie Gegner eines militärischen Schlages gegen den IRAK fühlen sich bestätigt – die einen allerdings etwas weniger als die anderen. Es heißt, US-Aussenminister Powel habe mit hochrotem Kopf die Sitzung des Sicherheitsrates verlassen. Inzwischen ließ er wissen, man sei von amerikanischer Seite bereit, den Kontrolleuren noch einmal zwei Wochen Zeit zu geben. Am 1. März sollen sie einen dritten Bericht vorlegen.
Es folgten die weltweiten Demonstrationen der Kriegsgegner –500.000 in Berlin, über 750.000 in London… Hunderttausende in den USA selbst. Über elf Millionen Menschen sollen insgesamt unterwegs gewesen sein,
Soweit – so gut. Eine Atempause ist das allemal und man darf sich freuen, dass der gradlinige Durchmarsch für einen Krieg gegen den Irak erst einmal gebremst wurde.
Eine direkte Missachtung dieses UN-Votums und dieser weltweiten Massen-Proteste durch die USA-Administration ist nicht zu erwarten. Der Schaden, den sie selbst und ihr Land durch eine offene Missachtung der Weltmeinung nehmen würden, dürfte selbst für die Bush-Hardliner erkennbar sein.
Gebremst wurden die Kriegsbefürworter jedoch nur für´s Erste.
Die Kriegsgefahr ist nicht gebannt. Es geht der US-Regierung ja keineswegs nur um die Abrüstung des IRAK, noch weniger um die Durchsetzung von Menschenrechten für die Irakische Bevölkerung; es geht ihr erklärtermaßen um die Beseitigung ihres aus dem Ruder gelaufenen ehemaligen Bündnispartners Saddam Hussein, also um die Unterwerfung des Irak unter die Vorgaben der US-Politik – und dies nicht etwa nur, weil sie die Öl-Multis ihre Hand auf das Irakische Öl legen wollen. Das könnten sie auch ohne das Risiko eines Krieges erreichen, bei dem zudem noch die Gefahr besteht, die Ressourcen zu vernichten, die sie sich aneignen möchten und die Rezession zu vertiefen, in der sich die US-Wirtschaft befindet.
Der gegenwärtig herrschenden US-Politik geht es um mehr: Es geht ihr um die Unterwerfung des arabischen Raums unter ihre Vorherrschaft; sie braucht ihn als strategisches Aufmarschgebiet gegen ein boomendes, ihnen unberechenbar erscheinenden Asien. Das ist vor allem China, welches sich anschickt zum wichtigsten Konkurrenten der USA aufzurücken. Mit 10% jährlichen Wachstums des Bruttosozialprodukts steht China zur Zeit einzig in der Welt da. Alle politischen und wirtschaftlichen Prognosen deuten in die Richtung, dass China als Führungsmacht Asiens spätestens in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts mit den USA gleichgezogen oder sie überrundet haben könnte.
China ist wiederum nur die Spitze des Eisberges, den die USA gegenwärtig abschmelzen möchten: Mit Chinas Wachstum ist ein Wachstum der gesamten asiatischen Welt und eine Umgruppierung der globalen Ordnung verbunden, welche die „einzig verbliebene Weltmacht“ tendenziell an ihren Platz als eine Macht unter anderen verweist. Dieser Entwicklung setzen die USA ihren Willen zur Konservierung des Status quo entgegen, der nach dem Ende des Kalten Krieges entstanden ist. Die aktuelle Allianz gegen die militärische Lösung des IRAK-Konfliktes ist, ungeachtet der Widersprüch-lichkeiten in den Positionen ihrer einzelnen Träger, kein Zufall: China, Russland, Europa. Alle drei sind Anwärter auf dem Feld der Globalisierung, das heißt klar gesprochen, der Neugestaltung der Welt-Herrschaft. Nach ihnen stehen noch andere Länder in der Schlange für einen Platz im globalen Geschehen.
Man mag bezweifeln, dass die Bush-Administration in Zeiträumen eines ganzen oder auch nur eines halben Jahrhunderts denkt – ihre Strategen, aus deren Think-Tanks die Begriffe des „Kampfes der Kulturen“, der „Gelben Gefahr“, des „Weltweiten Terrorismus“ und der „Achse des Bösen“ stammen, tun es ganz zweifellos. Vor diesem Hintergrund ist die gegenwärtige Atempause nur eine Etappe. Mit Ereignissen, die Anlässe zum militärischen Eingreifen liefern, ist zu rechnen.
Kai Ehlers
www.kai-ehlers.de
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