Ursprung der Völker und Land der Zukunft?

Programmtext, erzählt von Kai Ehlers

Sibirien – dieses Wort löst die unterschiedlichsten Assoziationen aus. Die einen fühlen sich an endlose Weite, an unberührte Natur erinnert. Sie denken an schamanische Rituale, die heute wieder in Sibirien auferstehen. Das gilt besonders für den Süden Sibiriens, wo auch heute mongolische, tatarische und turkstämmige Völkerschaften in Republiken oder Regionen wohnen, die nach ihnen benannt sind wie etwa die Burjäten am Baikal, die Chakasen am Fuße des Altai, die Altaizi und die Tuwa an der Grenze zu Kasachstan. Viele der genannten Völker leben heute teils in Rußland, teil in der Mongolei, in Kasachstan oder auch in China.
Sibirien – dieses Wort löst aber auch Schauder aus. Bilder von Straflagern, von Verbannung, von Schrecksszenarien des GULAG, des Systems der stalinistischen Arbeits- und Umerziehungslager kommen hoch. Darauf legen sich die seit der Öffnung der früher verschlossenen Städte bekanntgewordenen und immer noch weiter bekannt werdenden Szenarien ökologischer Katastrophen, die aus der schnellen Industrialisierung und der rücksichtslosen Vernutzung der Natur durch eine ausufernde Militarisierung resultieren. Wer heute durch Sibirien fährt, trifft überall auf die Zeugen dieses industriellen Kriegszuges gegen die Natur, gegen den Wald, gegen die Steppe und gegen die Menschen.
Aber Sibirien – das sind auch die schier unerschöpflichen natürlichen Ressourcen, die ökologischen Potentiale eines noch nicht erschlossenen Raumes bis hin zu einer unerforschten Vorgeschichte. Vor allem aber sind es die Menschen, die hier leben, Kinder von Kolonisatoren aus dem Westen, aus Rußland die einen, Nachkommen einheimischer, zumeist nomadischer Völker aus dem zentralsibirischen Raum die anderen. Die meisten von ihnen kommen aus dem Altai. Aus Hunnen, Mongolen, Tataren, Turkvölkern und anderen Nomaden auf der einen, aus kolonisierenden Siedlern auf der anderen Seite entstand eine Verbindung von aus nomadischer und seßhafter Gesellschaft, die ihre eigenen Verhaltensweisen, ihre eigenen Ideale von menschlichen Beziehungen hervorgebracht hat. Es ist der Pionier, der unterwegs ist im Kampf mit den widrigen Umständen einer rauhen Natur, gegebenfalls aber auch einer ihm feindlichen Gesellschaft, die ihn als politischen Verbannten, als Kriminellen oder auch als Andersgläubigen ausgestoßen hat. Eine sehr eigensinnige Ethik entwickelte sich hier, die einerseits der Freiheit, ja, Ungebundenheit des Einzelnen, zugleich aber auch der Einordnung in die natürlichen Gegebenheiten und ins soziale Kollektiv, der Hilfe auf Gegenseitigkeit einen hohen Wert beimißt. Wenn heute von politischer Renaissance in Sibirien die Rede ist, dann sind diese Traditionen gemeint.
Sibirien ist aber auch, angestoßen durch die forcierte Industrialisierung nach der Oktoberrevolution 1917, besonders jedoch nach der Verlagerung der russischen Industrie in den sibirischen Raum vor und während des zweiten Weltkrieges zu einem eigenen, hochentwickelten Wirtschaftsraum herangewachsen, der heute an der Schwelle seiner wirtschaftlichen Selbstständigkeit steht. Die fünfziger und sechziger Jahre brachten noch einmal weitere Schübe in diese Richtung. Perestroika hatte ihre Ursache nicht zuletzt darin, daß innerhalb des einheitlichen Monolithen der Sowjetunion neue Kräfte herangewachsen waren, deren Wachstum die Hülle der Union sprengen mußte. Nicht von ungefähr kamen die ersten wissenschaftlichen Forderungen zur notwendigen Intensivierung der Produktion durch eine demokratischen Öffnung Ende der Siebziger aus Nowosibirsk. Sie kamen aus der Neuen soziologischen Schule der Tatjana Saslawskaja an der Akadem Gorod, der Akademikerstadt von Nowosibirsk, die dort erstmalig mit empirischen soziologischen Untersuchungen den jahrzehntelang geschönten Ziffern von Plansoll- und Planhaben zu Leibe rückte.
Heute befindet sich Sibirien ebenso in der Krise wie alle Länder und Gebiete der ehemaligen Union. Aber mit seinen natürlichen Ressourcen, mit seiner das Zupacken gewohnten und qualifizierten Bevölkerung und mit seiner entwickelten Industrie verfügt es über Kräfte, die ihm helfen werden, den notwendigen Schritt der Abnabelung zu vollziehen. Es steht zwischen Asien und Europa wie ein Kind zwischen Vater und Mutter, bereit seine eigenen Wege zu gehen, wenn die Eltern es ihm gestatten – und auch wenn sie es ihm nicht gestatten; in dem Fall wird es sich allerdings mit Gewalt losreißen müssen.

Sibirien –
Ursprung der Völker und Land der Zukunft?
Erzählt von Kai Ehlers

O-Ton 1: Trommel, schamanischer Gesang                         1,35
Regie: Ton drei, vier Sekunden frei stehen lassen, allmählich abblenden, unterlegen, zwischendurch hochziehen, abblenden, hochziehen, ausblenden

Erzähler:
Sibirien – dieses Wort löst die unterschiedlichsten Assoziationen aus:
Weite; Natur, Schamanen –

Regie: hochziehen, kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen

Erzähler:
aber auch Verbannung, Lager. Fabriken, die sich in Wälder, Steppen und Eiswüsten des größten Landmassivs fressen, das es auf unserem Planeten gibt.

Regie: hochziehen, kurz stehen lassen, allmählich abblenden

Erzähler:
Vor allem aber sind es die Menschen, die aus der langjährigen Kolonisation dieses scheinbar leeren Raumes hervorgegangen sind. Es sind zupackende, rauhe, oft eigensinnige Charaktere. Die letzten siebzig Jahre waren sie mit dem Gleichheitsfirniß des neuen sowjetischen Menschen überzogen. Neuerdings betonen sie wieder ihre Eigenheiten. Bei Nikolai Saikow, dem Chefredakteur der Nowisibirsker Tageszeitung „Abendliches Sibirien“ klingt das so:

O-Ton 2: Nikolai Saikow                        1,20
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„My, wot schiwiom Sibirje….
„Wir leben in Sibirien nicht erst siebzig, sondern vierhundert Jahre. Im sechzehnten Jahrhundert gründete der Kosak Jermak unsere Stadt. Die Tataren waren damals Nomaden, sehr arm, sehr wenige; der Raum war praktisch unbesiedelt, leere Taiga. Die Kosaken, die damals aus Rußland kamen, sind den amerikanischen Siedlern vergleichbar: Aktive Leute, Pioniere. Sie waren Russen, versteht sich, aber doch anders als die im europäischen Teil. Sie waren Leute aus den Grenzbereichen, Verbannte, Strafgefangene, Militärs und einfach kolonisierende Bauern; viele kamen auch als Jäger. Sie entwickelten eine Kultur der gegenseitigen Hilfe. Ihre Hütten standen jedem offen, der in der Kälte Unterkunft brauchte. (…339) Mit der sowjetischen Zeit ging das verloren. Wenn heute von Widergeburt Sibiriens die Rede ist, dann heißt das für mich, daß sich diese Eigenschaften bei uns wieder entwickeln wie damals zur Pionierzeit, wo man sich gegenseitig half.“
….jewo delit“

Erzähler:
Für Frau Olga Nowika, Historikerin in Krasnojarsk, Vertreterin einer Organisation, die sich um die Probleme der sogenannten kleinen Völker müht, ist russischer Pioniergeist noch nicht alles. Die Ureinwohner Sibiriens haben sich mit Tataren, Mongolen, Türken, später auch mit Russen, Ukrainern, Polen, Balten, Rußlanddeutschen und anderen Volksgruppen, im russischen Sprachgebrauch Nationalitäten genannt, so vermischt, erzählt sie, daß die Kinder oft gar nicht mehr mehr wissen, woher ihre Eltern stammen. Wichtiger als die ethnische Zugehörigkeit ist für sie die gemeinsame Geschichte:

O-Ton 3: Olga Nowika                        1,30
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzerin:
„Ja schitajus sebja…
„Ich halte mich für russisch, ja. Aber es fällt mir sehr schwer, meine Nationalität, zu bestimmen. Ich bin selbst so nultinational; in unseren Wurzeln ist so viel miteinander verflochten. Man hat mich immer gefragt, wer unsere Eltern sind. Aber darüber wurde nicht geredet. Sibirien ist ja das Land der brutalen Straflager. Unheimlich viel Leute wurden hierher gebracht, die ihre Nationalität, ihre Sprache vergessen mußten. Bei uns zuhause wurde russisch gesprochen, meine Mutter hatte aber einen französischen Namen und mein Vater stammt von tatarischen Kosaken ab. Als Verfolgte lebten die zeitweilig sogar in China. Andere Verwandte meiner Mutter kamen aus Moldawien und Rumänien. Ich kann also auch nicht sagen, daß meine Vorfahren Franzosen waren; ich weiß nur, ein Teil kommt aus dem Osten ein, Teil aus dem Westen. Wir sind schon die vierte Generation, ich und meine Brüder. Es gefällt gefällt uns hier; wir sind schon lange Sibiriaken. Deshalb interressiert uns schon lange nicht mehr, wer unsere Vorfahren waren, verstehen Sie?
… kto nasche pradedje, ponimaetje?

Erzähler:
Neunundzwanzig kleinere Völker leben in Rußland, die meisten davon in Sibirien. Allein im Gebiet Krasnojarsk sind es acht, – Ewenki, Nenzi, Enzi, Dolgani, Ganassani, Keti. Bis auf die Keti, eine Gruppe von etwa tausend, eher europäiden Menschen, sind alle Nomaden. Ihr Lebensraum ist heute bedroht. Er ist auf den Norden Sibiriens zusammengeschrumpft. Ein solcher Ort ist Dudinka, wo der Jenesseej ins Eismeer mündet. Dort geht die Sonne im Sommer nicht unter, im Winter fegt der „Tschorna Purga“, der Eiswind, bei Minis 50% durch die Dunkelheit, die auch Mittags kaum aufgehellt ist. In Dudinka verwalten vier Frauen ein Museum für die Geschichte der einheimischen Völker. Sie erzählen:

O-Ton 4: Museum in Dudinka                        1,05
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, nach Erzähler hochziehen

Übersetzerin:
„Nu wot na territorie…
„Nun, auf dem Teritorium unseres Kreises leben Vertreter einheimischer Nationalitäten – Dolganen, Nenzen und Enzen, insgesamt ungefähr 9000 Menschen. Die größe Gruppe sind die Dolganen mit 5000, die kleinste die Enzen mit ca. 100 Menschen.“

Erzähler:
Schwer haben es die Eingeborenen, erzählen die Frauen. Sie leben in der Tundra mit den Rentieren. Davon können sie heute kaum noch existieren. „Am Schwersten trifft es die Kinder, die in Internaten aufgezogen werden“, meint eine der Frauen: „Sie vergessen ihre Sprache, sie verlernen die Sitten ihrer Eltern. Sie sind keine Russen, aber auch keine Eingeborenen mehr.“
…Kornee torwanneje.“

Erzähler:
Ein Nationales Problem gebe es aber nicht, meinen die Frauen. Vertreter von über hundert Nationen habe es seit dem sechzehnten Jahrhundert nach Dudinka verschlagen, zuerst Russen, dann Menschen aus allen Teilen des wachsenden russischen Reiches. Dudinka, obwohl unwirtlich, wurde ihnen zur Heimat:

O-Ton 5: Dudinka, Forts.                        1,00
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Erzähler:
„Tota sdes rodilis…
„Die Gründe dafür waren bei jedem von uns verschieden“, erklärt diese Frau. „Der eine kam mit den Eltern hier her. Der andere kam selbst. Ich bin zum Beispiel zusammen mit meinem Mann im Zuge einer Kampagne des Komsomol hier angereist.“ „Man weiß ja auch nicht wohin“, ergänzt eine andere. „Andererseits gibt es hier auch viel Schönes: Die wunderbaren weißen Sommernächte, die vielen nationalen Feste! Wir feiern hier ja die Feste aller Nationalitäten, die Polarnacht, Fischereitage, Wassertage. Zum neuen Jahr kommen auch hin und wieder Schamanen zum Fest der Tschums. Das sind die kegelförmigen Zelte unserer Nomaden.“
…Kamlal, schamnje.“

Erzähler:
Schamanische Tradition der kleinen Völker und industrielle Gegenwart treffen in Dudinka unmittelbar aufeinander. Keine dreißig Kilometer von Dudinka entfern liegen die Nickelgruben von Norilsk, zu Sowjetzeiten ein Zentrum der Rüstungsindusrie. Bis Anfang der Neunziger galt Norilsk als verbotene Stadt. Inzwischen mußte auch Norilsk sich öffnen:

O-Ton 6: Dudinka, Ende                        0,43
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Erzähler:
„Tschas stait wapros o tom…
„Jetzt geht es darum“, versichert eine der Frauen, „daß das Kombinat und die Stadt selbst mit ihren 150 000 Einwohnern die Verpflichtungen unterschreiben, aus ihren Mitteln die Wiedergeburt der Kultur der kleinen Völker zu unterstützen“.
„Zur Zeit wird darum gekämpft“, schränkt eine andere der Frauen ein.
„Bisher noch mit Worten“, ergänzt die dritte.
…paka eschtscho slawa.“

Erzähler:
Norilsk ist heute eine der Geldquellen Sibiriens.. Im Zuge der Privatisierung wurde es von Sergei Bykow, einem der neuen Geldmagnaten erworben. Er gilt vielen Sibiraken als Verbrecher. Politisch hat er sich der Partei Wladimir Schirinowskis verschrieben. Jetzt geht es darum, daß dieses Geld auch dem Land, nicht nur seinem neuen Besitzer zugute kommt Der Gouverneur von Krasnojarsk möchte Bykow deshalb am liebsten enteignen und Norilsker Nickel wieder der staatlichen Verwaltung unterstellen. Die Auseinandersetzung ist exemplarisch: Wenn Norilsk gesundet, gesundet Krasnojarsk, wenn Krasnojarsk gesundet, wird es ein starkes Sibirien geben, so lautet die von der Verwaltung verfolgte Linie. Die Wiedergeburt Sibiriens, lassen ihre Vertreter wissen, gehe von Krasnojarsk aus. Wladimir Kusnezow, früher Dokumentarfilmer, der sich vor allem dem sibirischen Dorfleben widmete, ist ganz erfüllt von dieser Vorstellung. Mit dem Antritt des ehemaligen Generals Alexander Lebed als Gouverneur von Krasnojarsk übernahm er daher bereitwillig das regionale Ministerium für Kultur:

O-Ton 7: Wladimir Kuszezow                            1,35
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Jest takoi wiraschennije…
„Es gibt so eine Redensart, daß die Krasnojarsker Region das russische New Hampshire ist, das heißt, so wie New Hampshire wählt, so wählt ganz Amerika. Und ganz sicher ist Krasnojarsk wie ein Spiegel für Rußland. In Krasnojarsk sammeln sich zur Zeit die Menschen, von denen eine Veränderung für ganz Rußland ausgehen kann. Ich will mich nicht als Prophet betätigen, aber Änderungen stehen bevor: Was in Rußland aufgebaut wurde ist ja keine demokratische Ordnung, sondern die Herrschaft der Mafia.Wir brauchen aber Menschen, die sich selbst beherrschen können. Unter uns gesagt, bei den russischen Altgläubigen, den Leuten, die einerzeit die Kirchen verließen und in die Taiga gingen, gibt es so eine Vorhersage, die fast Wort für Wort das trifft, was heute bei uns geschieht. Das Interessanteste, was sie immer sagten, war: Die Wiedergeburt beginnt in Sibirien; aus Sibirien kommt ein Muschik, ein starker Mann, der Rußlands Wiedergeburt bewirkt.“
… katorie wosrodit Russiju.“

O-Ton 8: Tscharypowa, Kohlegrube                        1,05
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, zwischendurch hochziegen, wieder abblenden, unterlegen, allmählich abblenden

Erzähler:
Ketten, Maschinen geräusche…
So vielfältig wie die Menschen, so vielfältig ist das Land selbst: Im Süden, zweitausend Kilometer von Norilsk entfernt, liegt Tscharypowa, eine der Städte des sibirischen Kohlenrevieres zwischen Krasnojarsk und Nowosibirsk. Hier ist alles ganz anders und doch ähnlich. Die Sommer sind heiß, die Eingeborenen sind keine Eskimos, sondern Ckakasen, Mongolen, auch einige Chinesen. Wie Norilsk wurde auch Tscharypowa aus dem Boden gestampft. Tausende junger Ehepaare folgten noch in den späten siebziger Jahren dem Ruf des Komsomol, hier ein Industriezentrum der Zukunft aufzubauen, ein Jahrhundertprojekt, das den gesamten zentralsiatischen Raums mit Energie versorgen sollte.

Regie: hochziehen, kurz stehen lassen, allmählich abblenden

Erzähler:
Der Lärm der Schürfbagger allerdings täuscht: Im Moment werden sie nur bewegt, damit sie nicht einrosten, erklärt Ingenieur Gubin, der uns zwischen den gigantischen Türmen, Isolatoren und Förderbändern mit dem Auto herumfährt. Tawarisch Gubin, wie er sich selbst scherzhaft nennt, ist als Vermessungsingenieur einer der Planer der neuen Industrieanlagen. Zur Zeit ist er arbeitslos. Auf das Jahrhundertprojekt angesprochen, rettet er sich in Sarkasmus:

O-Ton 9: Ingeniezr Gubin                            1,25
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, nach (erstem) Erzähler hochziehen

Übersetzer:
„Stroika Wjeka…
„Bau des Jahrhunderts – das hat bei uns zur Zeit nur die Bedeutung: Jahrhunderte, lange, lange werden wir bauen! Der Plan war grandios! Der Plan war, hier eine Kaskade von Elektrokrtaftwerken zu bauen, genannt: „Kansker Atschinsker Wärme-Energie Komplex“, KATEK. Es sollten die größten und stärksten Kraftwerke werden, die bisher überhaupt errichtet wurden. Zehn bis vierzehn Werke sollten es werden. Sie sollten ganz Sibirien und auch die angrenzenden Nachbarn mit Strom versorgen.  – Aber dann fror plötzlich alles ein.“

Erzähler:
Er persönlich sei sowieso kategorisch gegen solche Giganten, meint Ingenieur Gubin, schon ökologisch seien sie eine Katastrophe. „Und die Stadt“, fügt er hinzu, als wir an den leeren Fensterhöhlen zahlloser Bauruinien vorbeifahren, „wurde ebenso gigantisch aus dem Boden gestampft. Es ist alles gewaltig angelegt, aber nichts  ist beendet, alles nur angefangen.“
…tolka natschala.“

Erzähler:
Die ca. 30.000 Einwohner der Stadt ducken sich weg. Man hält sich mit Gelegenheitsjobs und mit den Erträgnissen aus der Datscha über Wasser und wartet auf bessere Zeiten. Konstantin Smol, ehemals Direktor der Arbeitsverwaltung von KATEK, jetzt Frührentner, früher einer der aktiven Mitgestalter des KATEK-Projektes, schaut mit Trauer auf das eingefrorene Programm:

O-Ton 10: Konstantin Smol                        0,50
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Ja dumaju…
„Ich denke man kann nicht, nur man muß das Programm wieder aufgreifen. Natürlich war es zu groß angelegt. Vierzehn Werke brauchen wir nicht, aber man kann die Möglichkeiten nicht einfach verkommen lassen. Nun hat man die Menschen hierhergeholt, die kann man ja nicht einfach vergessen. Kann sein, daß jetzt kein Geld da ist, dann muß man eben Investoren finden. Sibirien ist reich und Rußland hat schon ganz andere Schwierigkeiten überwunden. Alles, was man dazu braucht, ist ein gutes Kommando.“
…nuschna kommando, katorije projodsja.“

Erzähler:
Mit dieser Ansicht steht Konstantin Smol nicht allein. Vertreter der wichtigsten, das heißt der wirtschaftlch am weitesten entwickelten Regionen trafen sich schon bald nach der Einleitung der forcierten Reformpolitik zur „Sibirischen Übereinkunft“. Ihr Ziel ist eine von Moskau unabhängige eigene wirtschaftliche Entwicklung Sibiriens. In der Nowosibirsker Hochschule für Verwaltung, zu Sowjetzeiten, gelegentlich auch noch heute kurz Kaderzentrum genannt, erläutert Tatjana Sidnikowa, was darunter zu verstehen ist. Frau Sidnikowa, schon vor Perestroika an der Hochschule tätig, unterichtet dort heute das Fach Medienpolitik:

O-Ton 11: Tatjana Sidnikowa                        1.10
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Assotiatie eta preschde swjewo…
„Die Assoziation – das ist vor allem erst einmal das Bedürfnis, das Streben nach dem eigenen Überleben. Die Menschen Sibiriens haben schon lange begriffen: Wenn sie einander nicht helfen, dann hilft ihnen keiner. Moskau ist weit weg von den Problemen des wirklichen Lebens und noch weiter entfernt von Sibieren. Dabei sprechen wir bisher nur vom westlichen Sibirien; dazu kommt noch das nördliche und das östliche. Dort ist die Situation vielleicht noch etwas anders. Dort ist der Pazifische Ozean. Dort hat man noch engere Kontakte mit China, mit Japan, mit Amerika. Aber Nowosibirsk, als industrielles Zentrum Sibiriens, steht mit der Anzahl der Einwohner an dritter Stelle in Rußland. Die Assoziation ist von daher, ohne zu übertreiben, ein Versuch, die heutigen Probleme zu lösen.“
…i papitka rischits sewodnischi problemi.“

Erzähler:
Das ist, zählt Frau Sidnikowa sachlich auf, der Versuch, der räuberischen Ausbeutung der Bodenschätze entgegenzuwirken, der Versuch, die heimische Industrie wieder in Gang zu bringen, den Exodus der technischen Elite zu stoppen, eine vernünftige, regionale Steuerpolitik zu entwickeln, eine effektive Infrastruktur und menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen, alles ganz und gar pargmatische Aufgaben. Zu dem kommt noch, Sibirien als einzigartiges Klimaregulatorium einer ökologischen Gesundung des Planeten zu nutzen. Die Liste will gar nicht enden. Sie endet dann aber doch, und zwar mit einem heißen Bekenntnis zu den Eigenheiten Sibiriens:

O-Ton 12: Tatjana, Forts.                              0,45
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer“
„Nu, ja schiwu…
„Ich lebe nun einmal hier. Hier fliegt die Seele hoch! Wir sind ja Menschen der Weite. Es ist vielleicht ein bißchen einfach gesagt, aber nehmen Sie die Kolonisation Sibiriens. Das ist die unblutigste, die es gab. (…) Wir sind ein philosophischer Menschenschlag. Das Leben bringt es so mit sich. Ich besuche meine Schwester in Woronisch, da habe ich eine lange Reise. Ich stehe am Fenster. Da fliegt die Landschaft vorbei, und fliegt und fliegt. – Das ist wie Psychotherapie, verstehen sie.
…kak psychotherapie.“

Erzähler:
Offiziell darf man nichts von solchen Gefühlen wissen. Der stellvertretende Bürgermeister von Nowosibirsk wiegelt erst einmal ab. Er habe nichts mit hochfliegenden politischen Ideen am Hut, erklärt er barsch, für ihn gehe es nur um die nächstliegenden Aufgaben:

O-Ton 13: Alexei Bespalikow, Vize von Nowosibirsk                 0,35
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, ausblenden

Übersetzer:
„Perwie glawnie problem..
„Das Erste wichtige Problem ist die Auszahlung der Löhne, die Abtragung der Schulden seitens des Budsgets gegenüber den Staatsangestellten. Das Zweite ist der Anfang des neuen Schuljahres, das heißt, wir müssen alle Schulen einsatzbereit haben und das nächste Problem ist dann die Vorbereitung der Ernte.“

Erzähler:
Dann aber beendet auch er das Gespräch aber mit den Worten:

O-Ton 14: Vize, Fort.                         0,44
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Da sowerschennije vera…
„Aber selbstverständlich sind die Menschen Sibiriens ruhiger. Sie brechen nichts übers Knie. Sie denken erst einmal nach. Sie sind überhaupt sehr bewußte Leute. Sie sind, vielleicht wegen des rauen Klimas, wegen der harten Bedingungen, eher in sich gekehrt, lassen sich nicht so leicht von außen beinflussen wie etwa die Menschen in Moskau. Ja, deshalb ist hier alles in bißchen ruhiger. Wir haben schon unsere Besonderheiten.“
… swoi abrasije jest.

O-Ton 15: Am Brunnen                          1,05
Regie: O-Ton kurz frei stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Erzähler:
Geräusche von Wassereimer…
Die Seeele, von der Tatjana Sidnikowa schwärmt und die selbst durch die pragmatische Maske des Bürgermeisters schimmert, treffen wir wieder, wenn wir mit einem Mann wie Gennadij Schadrin, Rundfunkjournalist, Ökologe, Jäger aus Leidenschaft im Sommer auf die Dörfer weit draußen in der Taiga fahren. Nachdem wir die Elektritschka hinter uns gelassen haben, die die kleineren Städte miteinander verbindet, geht es zu Fuß durch  die Hitze des sibrischen Sommers. Da kommt ein Dorfbrunnen  gerade recht:
Wasser, Waschgeräusche

O-Ton 16: Schadrin                          0,55
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Erzähler:
Schritte, übergehend in Gespräch: „U nas..
Den schweren Rucksack auf dem Puckel, kämpfen wir uns endlose Wege entlang,  in der Hoffnung, daß uns ein vorbeifahrender LKW für ein Stückchen mitnimmt. Die Mühen des Fußmarsches, die weiten Felder, die flirrenden Birkenhaine lenken das Gespräch auf den Umgang des Menschen mit der Natur:
„Wir haben hier das System Iwan Iwanows“, erklärt Gennadij Schadrin. Ob er daran glube? Das sei keine Sache des Glaubens, auch nicht der Theorie, antwortet er. „Das ist Erfahrung! Das ist das einzige“, versichert er, „was ich wirklich glaube: Die Natur ist vernünftig!“
… obladajet rasum.“

Erzähler:
Das System Porfirjew Iwanows, Ernergie aus der Abhärtung gegen die Kälte zu gewinnen, wird heute von vielen Menschen in Siririen angewandt: Morgens, gleich nach dem Aufstehen kann man aus den Haustüren sibirischer Wohnhäuser Menschen kommen sehen, die sich kurzentschlossen kaltes Wasser über den Kopf gießen – sommers wie winters.

O-Ton 17: Schadrin, Forts.                         1,20
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Erzähler:
„Schritte: „Mnogi tschitajut jewo…
„Viele halten Iwanow für den Entdecker eines neuen Weges für die Menscheit“ erzählt Schadrin weiter. „Die Gesundheit von dort nehmen!“ Schadrin beschreibt einen weiten Kreis mit dem Arm über dem Kopf: „Aus dem Kosmos! Und leben in Übereinstimmung mit der Natur!  Nun, das sind praktisch die Gesetze der Urgesellschaft, aber das ist nicht schlecht. Iwanow selbst lebte so, nackt draußen im Schnee, bei vierzig Grad Frost. Er hat sein eigenes energetisches Potential gehabt. Andere hätten das so gar nicht ausgehalten.“
Dann erzählt Schadrin von seinem Leben in der Taiga, wo er schon mit zehn Jahren begonnen habe zu jagen, und von seiner Frau, die ebenfalls die Methoden Iwanows anwende, von Wissenschaftlern, die Iwanows Methode an den Universitäten erforschten. „Es ist nicht nur der Weg der Kälte, sondern auch der der Sonne, sagt Schadrin. Alles gehört zusammen.“

O-Ton 18: Schadrin singt                        1,00
Regie: O-Ton allmählich kommen lassen, bis 0,10 frei stehen lassen, abblenden, unterlegen, bei 0,30 zum gesprochenen Wortes hochziehen, kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, nach Erzähler hochziehen

Erzähler:
Gesang…
Am Abend, in einer leerstehenden Schule, beim sortieren der Beeren, die er tagsüber unter lebensverachtender Gleichgültgkeit gegenüber den Mücken gesammelt hat, singt Schadrin sibirische Lieder:

Regie: Bei 0,30 zum Text hochziehen

Erzähler:
„Bargusin“, erklärt er, „das ist der starke Sturm. Es geht um die Beziehung der Menschen zum Wind. Gut lebten die Sibiriaken. Schöne Feste hatten sie, hatten Vertrauen zueinander. Aber jetzt ist alles vorbei;. Alles ist vergeudet durch die Partokraten.“ Damit erstirbt das Gespräch.
…partokrati

Erzähler:
Die Meisten der sibirischen Jäger leben heut in der Vergangenheit. Bei Sanschasch, einem pensionierten Flußfischer ist es nicht anders. Nur mit dem Boot ist seine Hütte am Ufer des OB erreichbar, dahinter beginnt gleich die undurchdringliche Taiga des Tomsker Verwaltungsbezirks. Die Hütte sei sein Refugium, erzählt Sansasch stolz, aber als er keine Becher findet, um seinen Gästen Samogonka, den Selbstgebrauten, anbieten zu können, klagt auch er:

O-Ton 19: Sanschasch, Jäger                        0,55
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Tschas wremja takaja…
„Jetzt ist so eine Zeit gekommen! Ich hatte hier ein paar Emaillebecher, aber sie sind alle geklaut, acht Stück. Ein Tuch war hier, geklaut, ein Eimer, in dem ich immer die Fischsuppe gemacht habe, geklaut. Sowas hat es früher nie gegeben. Jahrelang hatte ich ein Radio hier, auch einen kleinen Fernseher mit Akumulator. Das geht jetzt nicht mehr. Sogar Zucker lassen sie mitgehen. Heut bringst du Zucker mit, denkst, daß du morgen einen guten Tee trinken kannst, aber schon ist kein Zucker mehr da. So ein Mist ist das heute, glatter Raub. Das ist unsere neue Zeit!
…nowaja wremja.“

Erzähler:
Allerdings gibt es auch andere Töne. In Gorno-Altai,  Berg-Altai, lebt Wassili Wassiljew. Als leitender Zootechnikerder Republik Altai im Süden Sibiriens, als deren oberster Tierhüter also, war er langjähriges Mitglied des regionalen Parteikomitees. Als Pensionär ist Fischen und Jagen heut seine Lieblingsbeschäftigung. Wassili Wassiljewitsch ist überzeugt davon, daß die Neuerungen der letzten Jahre sich den natürlichen Gegebenheiten ebenso anpassen müssen wie die früherer Jahre:

O-Ton 20: Zootechniker Wassiljewitsch                            1,10
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„A u nas jest juschneje…
„Bei uns gibt es südliche Bezirke, Kosch Agatsch, an der Grenze zur Mongolei zum Beispiel. Dort gibt es keinen Wald, leer alles, halbe Wüste. Es ist der Anfang der Wüste Gobi, die sich von uns aus in die Mongolei hinein erstreckt. Wie können Menschen dort in individuellen Einzelwirtschaften existieren, wenn sie sechzig Kilometer pro Tag nomadisieren!? Können sie nicht! Sie müssen zusammenhalten; sie haben keine andere Wahl. Im Sommer tief unten im Tal, im Winter oben auf den Bergen und das mit allem Vieh, die ganze Kolchose. Allein bist du verloren. Sie ziehen um, weil im Winter im Tal kein Vieh gehalten werden kann: Harte Winde, starke Kälte, bis zu sechzig Grad Minus. In anderen Regionen ist es ähnlich.
…priblisitelno tak.“

Erzähler:
Wassiljew erzählt, wie er in die Jurten geholt wurde. Er erzählt von der Gastfreundschaft der Altai-Nomaden, die niemanden ohne ein Geschenk ziehen lassen, das er sich vorher aussuchen muß. Er berichtet von ihren Zeltgöttern, die sie wechseln, wenn sich als unfähig erweisen haben. Allmählich trägt ihn die Erinnerung fort und ununterscheidbar vermischen sich Züge der Altainomaden mit denen der benachbarten Tuwa, der Chakasen, der Usbeken und seinen eigenen Touren als Tierwart in den Bergen, ebenso wie in den den endlosen Steppen des Voraltai. Obwohl doch nur russischer Tierarzt, dazu leitender Funktionär der Partei, wurde er zu Hochzeiten, Geburten und Sterberitualen gerufen, feierlich und mit der gleichen Hochachtung wie die eingeborene Schamanen verehrt. Er taufte Kinder, er wurde als Arzt um Rat gefragt. Einigemale half er sogar bei Geburten. Kommunismus und Schamanismus haben sich in seiner Person miteinander verbunden.

O-Ton 21: Schamaniseren                        1,35
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, bei 35 zur Tröte zwischendurch hochziehen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Erzähler:
Schnalzen, Stimme, Schläger…
Daß solche Verbindungen keine Ausnahme sind, demonstriert der Enkel des Alten, Pawel Staroschuk. Er hat beides vom Großvater übernommen: die Liebe zur Schulmedizin ebenso wie die tiefe Verbundenheit mit den naturreligiösen Traditionen des Altai. Heut arbeitet er als Arzt und Psychologe in Nowosibirsk und ist als Therapeut gegen Alkoholismus, Nikotinsucht und Fettleibigkeit mit einer ambulanten Praxis zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen in sibirischen Regionen unterwegs.

Regie: bei Schalzen und Tröte hochziehen, wieder abblenden

Erzähler:
Dabei geschieht es, daß die Übernachtung in einem leerstehenden Pionierlager unsversehens zu einem improvisierten Versuch wird, sich der verdrängten schamanischen Wurzeln zu erinnern.

Regie: Hochziehen, nach Tröte abblenden

Erzähler:
Was an solchen Abenden spontan aus dem Unterbewußtsein einer reisenden Psychologentruppe aufsteigt, das erfährt in Sibirienes Universitäten seine wissenschaftliche Bearbeitung. In Nowosibirsk ist es Prof. Derewianko, Archäologe und Ehthnologe, der die gegenseitige Durchdringung nomadischer und seßhafter Kulturen im sibirischen Raum erforscht. Zudem ist er Leiter der sibirischen Assoziation für Klimaforschung. Für ihn ist Sibirien ein geostrategischer Raum, in dem sich Klima und Völkergeschichte in besonderer Weise verbinden, vor allem aber der Raum, in dem sich  nomadische und seßhafte Lebensweise miteinander mischen:

O-Ton 22: Prof. Derewianko                        0,45
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Poetamu, jesli wzelom…
„Wenn man also die Entwicklung im Ganzen bewerten will, so hat man es  mit Nomaden einerseits, mit Seßhaften andererseits zu tun. Überall auf dem Territorium Mittelasiens, des Kaukasus, Rußlands uws. geht diese Begegnung vor sich, über tausende von Jahren, mal friedlich, mal in der kriegerischen Konfrontation. (…) Aber man muß von nomadischer und der seßhaftenr Lebensweise sprechen, nicht nur von Völkern. Es sind zwei Welten, nicht zwei Ethnien.“
… dwa mira“

Erzähler:
In Irkutsk, der alten sibrischen Universitätsstadt an der Grenze zur Mongolei, gleich weit entfernt vom Pazific im Osten wie Eurpoa im Westen, mit engen Beziehungen zur Volksrepublik Chiina, fließen die verschiedenen Traditionslinien mit den Erfodernissen, die sich für die Neuordnung des euroastischen Raumes nach dem Ende der Sowhetunion ergeben, zu einem neuen Weltbild zusammen. Oleg Woronin, Aktivist der Perstroika, Historiker, Leiter eines von Japan gesponserten „Fonds für regionale soziale Entwicklung“ und auch noch Direktor einer Investmendfirma „Asia Invest“, skizziert diese Strömung mit den Worten:

O-Ton 23: Woronin                        1,05
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen

Übersetzer:
„Nu, konjeschna, swja historia…
„Klar, die Geschichte der wechselseitigen Einwirkung Rußlands und des Steppenkorridors, wozu die Mongolein, die Kasachstan, der Nordkaukasus gehören, ist für uns enorm wichtig. In unserer Sprache gibt es hunderte von Worten nomadischen Ursprungs. Eine geistige Ströumg, die wir Euroasiaten nennen, hat das im achtzehnten Jahrhundert, aber auch am Anfang dieses Jahrhunderts alles aufgearbeitet. Heute gibt es junge Historiker, etwa der in Amerika lebende Georgi Wernadski, die diese Arbeiten wieder aufnehmen. Der kasachische DichterAlsja Sulemenow hat ein Buch geschrieben: As-I-Ja, übersetzt, Asien und ich. Er spricht darin faktisch von einer Symbiose.“
…o symbiose.“

Erzähler:
Die Vertreter der euroasiatischen Idee definierten Rußland, insbesondere Sibirien als Brücke zwischen Asien und Europa. Die Neuauflage des Euroasiatismus ist  heute nicht ohne Probleme. Flache Plagiate dieser Vorstellungen haben sich in den letzten Jahren mit antiwestlichen Ressentiments in nationalistische Phantasien von einer neuen imperialen Mission Rußlands gesteigert. Russische Politiker nutzen die chinesische Karte hin und wieder, um den Westen zu erpressen. Ungeachtet solcher Irritationen hat die Auflösung der Sowjetunion den Weg für ein Sibirien freigemacht, das sich als neue Kraft zwischen Asien und Europa entwickelt.

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